Seenotrettung im Mittelmeer: „Sea-Watch 3“ weiter ohne Ankerplatz
Seit sieben Tagen fährt das Seenotrettungssschiff „Sea-Watch 3“ mit 47 Menschen an Bord im Mittelmeer. Trotz eines Unwetters darf es nicht anlegen.
Am Donnerstag suchte die „Sea-Watch 3“ Schutz vor „bis zu 7 Meter hohen Wellen, Regen und eisigem Wind“. Um sich vor den widrigen Wetterbedingungen zu schützen, steuerte das Schiff in Richtung Italien. Es hat nun einen Liegeplatz „1.4 Meilen zwischen Augusta und Siracusa, vor Marina di Melilli“ zugeteilt bekommen, wie die Nichtregierungsorganisation „Sea-Watch“ am Freitag auf Twitter mitteilte. Einen Ankerplatz gebe es aber nach wie vor nicht.
Die rechte Regierung in Rom weigert sich, das Schiff in einen italienischen Hafen einlaufen zu lassen. Innenminister Matteo Salvini schrieb auf Twitter, es sei die „x-te Provokation“ der „Sea-Watch“-Crew: „Nachdem sie tagelang in maltesischen Gewässern verweilte, fährt die #SeaWatch3 mit 47 an Bord an unsere Küsten. Niemand wird in Italien aussteigen.“ Salvini fügte hinzu, er sei bereit, Medikamente und Essen zur Verfügung zu stellen – italienische Häfen blieben aber geschlossen.
Die Lage der Menschen auf der „Sea-Watch 3“ bleibt unsicher, solange sich kein EU-Land bereiterklärt, die 47 Geflüchteten aufzunehmen. „Das letzte Mal hat es 19 Tage gedauert, bis wir sie anlanden können“, sagte „Sea-Watch“-Sprecher Ruben Neugebauer am Mittwoch im Deutschlandfunk. „Das ist ein klarer Seerechtsverstoß von den Ländern, die uns nicht in den nächsten sicheren Hafen gelassen haben.“
In einer Online-Petition fordert „Sea-Watch“, dass dem Rettungsschiff ein sicherer Hafen zugewiesen werden soll. „Wir fordern die europäische Kommission auf: Ziehen Sie ein für alle mal einen Schlussstrich unter das würdelose Geschachere mit Menschen“, schreibt ein Crewmitglied der „Sea-Watch 3“ in der Petition, die von mehr als 35.000 Menschen unterschrieben wurde.
„Jedes fehlende Schiff ist ein Problem“
Am Mittwoch hatte die Bundesregierung bekanntgebeben, dass sie für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der europäischen Operation EUNAVFOR MED, kurz „Sophia“, vorerst kein neues Schiff schicken wird. Als Grund dafür nannte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine problematische Führung der italienischen Kommandoleitung. Sie forderte, dass eine politische Lösung für das Problem gefunden werden müsse.
„Jedes Schiff, das im Mittelmeer für die Seenotrettung fehlt, ist ein Problem“, sagte Ruben Neugebauer dem Deutschlandfunk. Weniger Menschen könnten so gerettet werden. Beim Untergang zweier Boote im Mittelmeer starben am Samstag vermutlich mehr als 170 Menschen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) veröffentlichte am Mittwoch Zahlen, denen zufolge 162.000 Menschen 2018 einen ersten Asylantrag in Deutschland gestellt haben – weniger als die von ihm geforderte Obergrenze von 200.000. Dazu erklärte Neugebauer: „Es ist nicht so, dass weniger versuchen zu kommen. Es kommen nur weniger an. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann wird gerne vergessen, dass viele Menschen zum einen ertrinken oder zum anderen von der sogenannten libyschen Küstenwache aufgegriffen und gegen das Völkerrecht zurück nach Libyen gebracht werden.“
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