Seenotretter über die Situation vor Malta: „Großes Problem ist die Versorgung“
Seit Anfang April befinden sich 64 aus Seenot Gerettete auf der „Alan Kurdi“. Anlegen darf das Boot nicht. Gordon Isler von „Sea Eye“ über die aktuelle Situation an Bord.
taz: Das Schiff Ihres Vereins Sea Eye hat am 3. April 64 Menschen im Mittelmeer gerettet. Italien und Malta haben ihre Häfen für das Schiff gesperrt. Wie ist die aktuelle Lage?
Gordon Isler: Das Schiff befindet sich in 12 bis 24 Meilen Abstand von der maltesischen Küste, der so genannten Anschlusszone. Heute Vormittag ist aus nicht geklärten Gründen eine Frau zusammengebrochen. Sie wurde am Mittag von einem medizinischen Team aus Malta evakuiert. Wir wissen bislang nicht, was der Frau fehlte, aber es herrscht natürlich eine sehr starke Stresssituation an Bord. Ein großes Problem ist die Versorgung. Sehr bald, voraussichtlich am Mittwoch, brauchen wir Nahrungsmittel, Wasser und Kleidung. Teils haben die Menschen ihre Kleidung seit Wochen an.
Wie werden die Menschen im Moment versorgt?
Das Essen wird rationiert, zwei Mal am Tag gibt es eine warme Mahlzeit, etwa Nudeln, Reis oder Couscous. Wasser zum Trinken ist in Flaschen noch genug vorhanden. Was aber sehr schnell zuneige geht, ist das Wasser in den Tanks des Schiffes für die Küche, Duschen, Toiletten und die Maschine. Das ist auch kein Wunder: Auf dem Schiff waren jetzt einundachtzig Menschen, statt der 21, für die es zugelassen ist.
Wie werden die Versorgungsgüter beschafft, wenn Ihr Schiff keinen Hafen anlaufen kann?
Gordon Isler, 36, ist Vorstand von Sea-Eye e.V. Er hält von Deutschland aus telefonisch Kontakt mit der Besatzung an Bord der „Alan Kurdi“.
Es gibt Agenten, die auf solche Lieferungen spezialisiert sind. Die besorgen alle notwendigen Dinge und schicken ein Versorgungsschiff los. Darum kümmern wir uns derzeit.
Behindern die Behörden dies?
Die Hafenbehörde von Malta hat das zu entscheiden. Heute wollte ein Boot mit Journalisten zu uns ablegen, das wurde untersagt. Bis jetzt gibt es für eine Behinderung der Versorgung allerdings keine Anzeichen. Wir haben dazu bislang keine Nachricht gekriegt. Bei dem Schiff „Lifeline“ ist es im vergangenen Jahr einmal so gewesen, dass Malta darauf bestanden hat, die Güter mit einem Schiff der eigenen Armee auszuliefern.
Die entstehenden Kosten sind also derzeit das Problem?
Ja, wir müssen die nötigen Dinge ordern, das sind Kosten, die belasten uns schwer. Die „Alan Kurdi“ fährt unter deutscher Flagge, wir haben den Vorschriften entsprechend professionelle Seeleute an Bord, die natürlich weiter bezahlt werden müssen. Jeder zusätzliche Tag kostet uns bis zu 3.000 Euro. Das Schlimmste ist aber, dass wir die Folgemission absagen müssen. Schon jetzt tritt die Folge der Blockade ein: Dass wir nicht in dem Seegebiet sein können, in dem wir dringend gebraucht werden. Wie dringend, das haben die Vorfälle der letzten Woche wieder gezeigt, derzeit stehen Truppen vor Tripolis. Die Lage in Libyen könnte sich bald verschärfen. Und im Moment ist kein Rettungsschiff draußen. Das ist leider definitiv so.
Am vergangenen Freitag hat die Bundesregierung angekündigt, einen Teil der Flüchtlinge von der „Alan Kurdi“ aufzunehmen und die EU-Kommission aufgefordert, die Koordination mit weiteren möglichen Aufnahmestaaten zu übernehmen. Was ist daraus geworden?
Wir stehen mit Auswärtigen Amt in Kontakt und wissen deshalb, dass intensive Gespräche dazu stattfinden. Das AA ist optimistisch, dass es eine Lösung gibt. Bis jetzt gibt es aber keine konkreten Ergebnisse.
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