Aufnahme von Geflüchteten aus Italien: Gerettete dürfen noch nicht kommen

Eigentlich wollte Deutschland 185 aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge aufnehmen. Angekommen ist bislang aber nicht einmal die Hälfte.

Menschen mit roten Rettungswesen auf einem Schlauchboot

Wo kommen sie hin? Diese Menschen hat die Besatzung der „Aquarius“ im Juni 2018 gerettet Foto: reuters

BERLIN taz | Von den 185 aus Seenot geretteten Geflüchteten, die Deutschland sich seit Sommer 2018 aufzunehmen bereit erklärt hat, sind fast 100 noch immer in Italien und Malta. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke hervor, die der taz vorliegt.

Seit Monaten streiten die EU-Mitglieder darüber, wer für die oft von privaten Schiffen aus dem Mittelmeer geretteten Menschen zuständig ist. Italien und Malta hatten sich wiederholt geweigert, Schiffe in ihre Häfen einlaufen zu lassen, solange es keine Zusagen von anderen Mitgliedstaaten gebe. Mehrfach fanden sich schließlich Länder, die erklärten, die Gruppen untereinander aufzuteilen – nach tagelangen Hängepartien, bei denen Hunderte Menschen unter immer schlechter werdenden Bedingungen ausharren mussten.

Deutschland erklärte sich dabei bereit, 126 Personen aus Malta und 59 aus Italien aufzunehmen, damit diese hier ihr Asylverfahren durchlaufen können. „Von den vorgesehenen 185 Personen sind bereits 89 in die Bundesrepublik eingereist“, heißt es jetzt in der Antwort des Innenministeriums.

Dazu gehören die 66 Personen, die im August und September 2018 von dem privaten Seenotrettungsschiff „Aquarius“ in Malta an Land gehen durften. Ebenfalls schon in Deutschland sind 23 der 50 Personen aus dem italienischen Pazzallo, bei denen Deutschland die Aufnahme im Juli 2018 zugesagt hatte. Damals ging es um Gerettete von zwei Frontex-Schiffen.

Andere harren in Italien aus

Die restlichen 27 dieser Geretteten harren allerdings noch immer in Italien aus, genauso wie die Menschen, zu deren Aufnahme sich Deutschland im Januar bereit erklärt hatte. Darunter sind Menschen, die nach tagelangen Irrfahrten von den privaten Rettungsschiffen „Sea Eye“, „Prof. Albrecht Plenck“ und „Sea Watch 3“ in Malta und Italien an Land gehen durften.

„Die Bundesregierung verkündet vollmundig, dass sie sich auf europäischer Ebene für eine Lösung bei der Aufnahme aus Seenot geretteter Flüchtlinge einsetzt“, sagte die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke der taz. Doch viele der Schutzsuchenden, deren Aufnahme Deutschland zugesagt habe, „warten seit Monaten unter widrigen Bedingungen auf ihre Überstellung“. Die Flüchtlinge in den Erstaufnahmestaaten „versauern“ zu lassen sei „nichts als schäbig“.

Deutschland spiele „eigentlich eine gute Rolle bei der Verteilung von Geretteten aus privater Seenotrettung“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, der die „Sea Watch3“ im Januar selbst besucht hatte. „Die Glaubwürdigkeit der deutschen Position wird aber ausgehöhlt, wenn dann die reale Überführung nach Deutschland so lange dauert.“ Das „kann und muss deutlich schneller gehen“, sagte Schwabe der taz.

Kommunen außen vor

Die Linken-Abgeordnete Jelpke kritisierte zudem, dass Städte und Kommunen, die zur Aufnahme von Geflüchteten bereit seien, in der Praxis so gut wie keine Rolle spielten. Mehr als 40 Städte haben sich inzwischen öffentlich zum „sicheren Hafen“ erklärt. Viele von ihnen kritisierten, dass die Bundesebene sie ignoriere.

Die Verteilung von Geflüchteten innerhalb Deutschlands erfolge allgemein nach dem Königsteiner Schlüssel, erklärte das Innenministerium. Man habe dem Bamf die Schreiben und Hinweise der Gemeinden aber weitergeleitet, damit deren Aufnahmebereitschaft, „soweit möglich, berücksichtigt werden kann“. Jelpke reicht das nicht. Die Bundesregierung müsse „jetzt handeln“ und einen Gesetzentwurf vorlegen, der es Städten und Kommunen ermögliche, Geflüchtete „eigenverantwortlich aufzunehmen“, sagte Jelpke.

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