Sechser-Gipfel im Kanzleramt: Die Welt muss warten
Staatschefs aus Europa und den USA preisen Merkel. Obama gibt fast eine Wahlempfehlung. Sie sieht sich nicht als alleinige Führerin des Westens.
Und auch persönlich bekam die Hausherrin Lob von höchster Stelle: Eine „standfestere und verlässlichere Partnerin“ hätte er sich nicht wünschen können, sagte US-Präsident Barack Obama bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin über Angela Merkel – und gab quasi eine persönliche Wahlempfehlung ab: „Wenn ich Deutscher wäre, würde ich sie unterstützen.“
Doch die Kanzlerin reagierte mit demonstrativer Zurückhaltung auf den internationalen Wunsch, sich zur Wiederwahl zu stellen. Darüber werde sie „zum geeigneten Zeitpunkt“ entscheiden, erklärte sie bei der Pressekonferenz mit Obama.
Der kommt nun aber offenbar recht schnell: Die CDU, deren Vorstand am Sonntag und Montag zu einer Klausurtagung zusammenkommt, kündigte am Freitag überraschend eine Pressekonferenz von Merkel für Sonntagabend an. In der Partei wird erwartet, dass die Kanzlerin dort ihre erneute Kandidatur verkündet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Doch auch wenn sie wieder antritt und gewählt werden sollte – als neue Führerin der westlichen Welt, zu der sie in den letzten Tagen manche Medien erklärt haben, mag sich Merkel nicht sehen. „Ein Mensch allein kann niemals alles lösen, sondern wir sind nur gemeinsam stark“, sagte sie am Freitag nach dem Sechsergipfel. Aber natürlich, fügte sie in ihrer gewohnten Nüchternheit dazu, gehöre es zu ihrer Aufgabe als Bundeskanzlerin, „auch für den Zusammenhalt Europas und für den Erfolg Europas zu arbeiten“.
Schwere Zeiten
Im Vergleich zu Obama, der sich in Berlin gut gelaunt und redselig präsentiert hatte, wirkte Merkel nach dem Gipfel angespannt. Das dürfte nicht nur daran liegen, dass international schwere Zeiten vor ihr liegen: Weder zum Thema Syrien noch zur Ukraine gab es beim Sechsertreffen Fortschritte zu vermelden, das Flüchtlingsthema wurde kaum angesprochen.
Obama ist nur noch wenige Wochen im Amt, und ihre europäischen Partner haben derzeit andere Sorgen. Theresa May in Großbritannien muss den Brexit organisieren, der französische Präsident François Hollande seinen Posten gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen verteidigen, und Italien und Spanien kämpfen noch immer mit der Wirtschaftskrise.
Und auch in der Heimat hat sich ein geplanter Coup von Merkel offenbar in letzter Minute in eine Niederlage verwandelt. Wie mehrere Medien am Freitag berichteten, wollte die Kanzlerin die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen und Grünen-Politikerin Marianne Birthler als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin nominieren. Diese habe zunächst Bereitschaft signalisiert, hieß es; auch die Grünen und die CSU hätten bereits ihr Einverständnis erklärt, so dass eine Mehrheit gesichert gewesen wäre.
Doch kurz vor Beginn des entscheidenden Treffens am vergangenen Sonntag habe Birthler, die wie Merkel aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung stammt, einen Rückzieher gemacht, berichten FAZ und Süddeutsche Zeitung. Daraufhin stand die Kanzlerin ohne eigenen Vorschlag da und musste schließlich ihre Unterstützung für den SPD-Kandidaten Frank-Walter Steinmeier erklären. Im Berliner Machtspiel stößt offenbar auch die angeblich mächtigste Frau der Welt bisweilen an ihre Grenzen.
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