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Schwimmen Oben-ohne in BerlinGendergerechtigkeit am Beckenrand

Kommentar von Plutonia Plarre

Berliner Bäder erlauben nackte Brüste. Manche befürchten einen Kulturkampf. Blickt man auf die Genese der Bademoden, verbietet sich jede Aufregung.

Frauen demonstrieren mit nacktem Oberkörper Foto: dpa / Stefan Puchne

N un also auch Berlin. Gemeinhin nimmt die Hauptstadt ja gern für sich in Anspruch, besonders cool und sexy zu sein, in diesem Fall waren andere Städte wie Göttingen schneller. Aber nun ist auch in den öffentlichen Bädern der Hauptstadt das Oben-ohne-Baden für alle Geschlechter erlaubt. Weder beim Schwimmen noch beim Sonnenbaden müssen Frauen ihre Brüste bedecken.

Dabei gilt die alte Hausordnung einfach weiter. Denn laut den Berliner Bäderbetrieben (BBB) war „oben ohne“ nie verboten. Der allgemein gehaltene Passus, es sei „handelsübliche Badekleidung“ zu tragen, sei vom Personal bloß falsch ausgelegt worden, heißt es jetzt – geschlechtsspezifischen Vorgaben gebe es nicht. Allerdings hat in der Vergangenheit wohl kaum weibliches Publikum auf dieses Recht gepocht. Wo kein Kläger, da kein Richter.

Die Debatte um Gendergerechtigkeit macht aber auch am Beckenrand nicht Halt. Eine 33-jährige Frau, die im Dezember ohne Oberteil in einem Hallenbad schwimmen wollte und deshalb des Hauses verwiesen wurde, hatte bei der Antidiskriminierungsstelle des Landes erfolgreich Beschwerde eingelegt. In der Folge haben die BBB ihr Personal nun angewiesen, unbekleidete Oberkörper in jeden Fall zu tolerieren.

Konflikte sind damit programmiert. In ersten Reaktionen auf Twitter wurde prognostiziert, dass es in den Schwimmbädern zum Kulturkampf kommen werde und Sicherheitspersonal Frauen mit unbedeckten Brüsten vor Gaffern schützen müsse. Ähnliches war auch in Göttingen befürchtet worden, wo die Regelung seit dem Sommer 2022 gilt. Bewahrheitet hat sich das nicht.

Nun sind Göttingens Bäder vermutlich längst nicht so multikulturell gemischt wie die der Berliner Innenstadt. In einer internen Dienstanweisung versuchen die BBB denn auch, ihr Personal auf etwaige Konflikte vorzubreiten: „Wir wissen, dass es Menschen gibt, die irritiert darauf reagieren, wenn eine Frau oder eine trans- oder intergeschlechtliche Person mit nicht-bedeckter Brust schwimmen oder baden geht“, heißt es darin.

An erster Stelle die Gleichheit

Der Grundsatz der Gleichheit stehe jedoch über anderen Rechten wie der Religionsfreiheit. Badegäste, die aus religiösen Gründen nicht in einem Bad bleiben könnten, wo „oben ohne“ praktiziert werde, hätten keinen Anspruch, die Bedeckung der Brüste zu verlangen. Man baue auf die Sensiblität und Toleranz der Kundschaft und führe intensive Gespräche mit der Belegschaft, wie damit umzugehen sei, teilte der BBB-Vorstandschef mit.

In Göttingen war es eine Person, die nicht als Frau identifiziert werden wollte, die ihren Anspruch durchgesetzt hatte. Für diesen Personenkreis mag es eine Befreiung sein, mit freiem Oberkörper schwimmen zu können. Nicht verhindern lassen wird sich indes, dass manche Menschen den Anblick nackter Brüste nicht aushalten, sich dadurch sexualisiert, provoziert oder aus religiösem Empfinden beleidigt fühlen. Das gilt es nun auszuhalten. Eine Segregation in den Bädern, Zäune oder Sichtblenden sind jedenfalls keine Lösung.

Jenseits aller kulturellen Schranken ist die Frage letztlich doch die: Wie weit ist die Gesellschaft in puncto körperliche Freiheiten? Es ist noch nicht so lange her, da war es ganz normal, sich geschlechterübergreifend mit nacktem Oberkörper auf dem Kreuzberg zu sonnen. Aber nicht nur im öffentlichen Raum hat eine neue Keuschheit Einzug gehalten, sondern auch im Privaten. War es früher in WGs selbstverständlich, nackt über den Flur zu laufen, verriegeln junge Menschen nun das Badezimmer, bevor sie sich ausziehen – und gleichzeitig wird massenhaft digitale Pornografie konsumiert.

Aber vielleicht sind die Menschen doch nicht so prüde, wie es wirkt. Blickt man zurück auf die Genese der Bademoden, verbietet sich jede Aufregung. Nach der Freikörperkultur, die in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu Synonym für Freiheit geworden war, verboten die Nazis öffentliches Nacktbaden sowie das Baden in anstößiger Badekleidung.

Auf die Präsentation des ersten Bikinis, 1946 vorgestellt von einem französischen Modedesigner, folgte ein Erdbeben der Empörung. Erst Anfang der 60er wurde der Zweiteiler durch den Auftritt des ersten Bond-Girls Ursula Andress zum modischen Must-have.

Nun fällt das Top.

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Redakteurin taz.Berlin
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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Neue Keuschheit öffentlich/privat: "War es früher in WGs selbstverständlich, nackt über den Flur zu laufen, verriegeln junge Menschen nun das Badezimmer, bevor sie sich ausziehen – und gleichzeitig wird massenhaft digitale Pornografie konsumiert."

    Über die Zeilen wundere ich mich. Ja, früher war anders. Aber was geht es uns ältere oder alten Generationen an, wenn die junge Generation ihre Privatheit anders versteht und lebt? Wir leben mit dieser Generation in der selben Gegenwart, die von den jungen trotzdem anders erlebt und "erfühlt" wird. Wir wollten uns damals auch nicht drein reden und an uns rummäkeln lassen. Man kann mit den jungen über wer weiß was diskutieren - aber über ihre Privatheit?

  • Die Geschichte der Freikörperkultur hat auch so eine interessante Überschneidung mit der Geschichte der Arbeiter*innenklasse. Vielleicht will dazu hier mal jemand schreiben? c:

  • Was für ein Theater. Wir sind schon in den 70ern im Südwesten in Freibädern oben ohne gewesen. War ein schönes Gefühl. Keine Ahnung, ob sich daran jemand gestört hat; zumindest hat sich niemand darüber geäußert. Ich frage mich, was sich seither geändert hat?

  • werde jeder frau im bad ...

    bei 'oben ohne' ein kompliment machen.



    einfach so und ohne hintergedanken.

    • @adagiobarber:

      nun das würde ich bereits als Anmache auslegen und ist es auch

    • @adagiobarber:

      Ermutigen finde ich gut. Und solidarisch sein, falls da irgendwelche mit blöder Anmache kommen oder schlimmeres.

  • Kann frau machen … wenn ich an meine letzten nachmittäglichen Freibadbesuche in Berliner Problemvierteln denke , finde ich das spannend. Ab 14 Uhr hauptsächliche Jungs und junge Männer mit Migrationshintergrund, Gerangel u.v.m. Junge Mädchen nur noch in der Minderzahl …. dann bitte schön, jede soll nach ihrer Fasson glücklich werden…

    • @Bär Lauch:

      Außerdem: Verhüllen schützt vor Vergewaltigung nicht. Erzieht Jungs endlich dazu Mädchen und Frauen als vollwertige Menschen anzuerkennen. Es muss betont werden, dass deutsche Männer null besser darin sind als "die Ausländer".

    • @Bär Lauch:

      Als ob ausländische Jungens eine größere Gefahr darstellen würden als bio-deutsche Jungens... Als Frau kann ich ihnen sagen, dass A. sexuelle Gewalt meist von Personen, aber hautpsächlich Männern, ausgeht, die das Opfer vorher kannte und dass B. ich als Frau und auch schon als Mädchen am aller häufigsten von weißen, mittelalten bis alten Männern angemacht worden bin.

  • 100% Zustimmung. Keine Empörung! Für nichts und niemand.

  • Ob da irgendwo ne Brust raus guckt,



    Wen juckt's

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Mich nicht.



      Dennoch bin ich gespannt, wann die ersten Beschwerden wegen Glotzens kommen.

      • @Encantado:

        Ja. Am einfachsten zu umgehen, indem man halt nicht glotzt. Ist doch so einfach!

        • @Tuff:

          I rest my case.

          Fängt schon an. Unterschwellige Vorwürfe sind schon da. Nur weiter so.

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Welche Frau tut sich das an ?

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      schön wärs wenn es so wär