Schweres Erdbeben in der Ägäis: Einstürzende Häuser, unruhiges Meer
Ein Beben sorgt für Tote und Verletzte an der Westküste der Türkei. Küstenorte auch auf der griechischen Insel Samos werden von Tsunamis getroffen.
In Izmir, einer Küstenmetropole mit etwa 4,5 Millionen Einwohnern, stürzten mehrere Häuser ein. Izmirs Gouverneur Yavuz Selim Kösger sagte, vier Häuser seien zerstört worden und mehr als zehn eingestürzt. Mindestens 70 Menschen seien aus Schutt und Trümmern gerettet worden. Izmirs Bürgermeister Tunc Soyer hatte zuvor von 20 zerstörten Gebäuden gesprochen. Rauch stieg über mehreren Orten im Zentrum von Izmir auf.
In den sozialen Medien kursierten Videos, die den Einsturz eines mehrstöckigen Hauses in Izmir oder eine Flutwelle durch die Küstenstadt Seferihisar zeigten. TRT berichtete von Panik auf den Straßen während des Bebens, Telefonverbindungen seien unterbrochen gewesen.
Auch auf der griechischen Insel Samos, die nur wenige Kilometer vor der türkischen Küste liegt, gab es Tote und Verletzte. dort kamen zwei 17-Jährige ums Leben, die in einer schmalen Gasse von einstürzenden Mauern erschlagen wurden. Sowohl auf Samos als auch an der türkischen Westküste trat nach dem Beben das Wasser über die Ufer, auch gab es bereits mehrere Nachbeben.
In Vathy, einer in einer Bucht auf Samos gelegenen Kleinstadt, gab es einen Tsunami, wie auf Videos bei Twitter zu sehen war. Griechische Fernsehsender zeigten Bilder von der überfluteten Küstenpromenade, wo das Wasser Autos wegspülte. Der Strom fiel aus. Auf Fotos waren eine halb eingestürzte Kirche in Karlovasi sowie zerstörte Häuser zu sehen.
Flüchtlingslager offenbar verschont
Unweit von Vathy, allerdings nicht direkt an der Küste sondern etwas oberhalb in den Bergen, liegt ein großes Flüchtlingslager, in dem über 4.000 Menschen leben. Offenbar scheinen sie aber glimpflich davongekommen zu sein. Ein Bewohner des Lages berichtete der taz am Telefon, dass im Lager alle okay zu sein scheinen. In der Stadt Vathy sehe aber wüst aus, zudem gebe es noch Nachbeben. Auch eine Sprecherin von Ärzte ohne Grenzen sagte, es gebe nach bisherigem Stand keine großen Zerstörungen im Lager.
Besonders gefährdet könnte auch das Flüchtlingslager in Kara Tepe auf der rund 160 Kilometer weiter nördlich liegenden Insel Lesbos sein. Auch dort gibt es eine Tsunami-Warnung und das Lager liegt direkt am Wasser. Wie das Seenotrettungsteam Mission Lifeline auf Twitter berichtete, bekommen die Bewohner*innen dort per Handy die Warnung, sich von der Küste fernzuhalten. Die Polizei sehe dennoch keinen Grund das Lager zu evakuieren.
Das erste Beben hatte nach Angaben der nationalen türkischen Katastrophenbehörde eine Stärke von 6,6. Die für Erdbeben zuständige US-Behörde USGS gab die Stärke des Bebens sogar mit 7 an. Das Zentrum habe in der Ägäis vor der türkischen Provinz Izmir, rund 16 Kilometer nördlich der griechischen Insel Samos gelegen, berichteten türkische und griechische Medien.
Warnung vor zweitem Tsunami
Experten warnten im Interview mit TRT vor einem möglichen weiteren Tsunami. Auf vielen Bildern in den sozialen Medien war zu sehen, dass sich das Meer nach dem Beben teilweise sehr weit zurückgezogen hatte. Erdbeben-Institute berichten bereits über erste Nachbeben weiter westlich des Hauptbebens, mehrere davon über 4.
Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam informierte am Freitagmittag ebenfalls über das „schwere Erdbeben mit einem Tsunami“. Nach GFZ-Berechnungen erreichten die Wellen Höhen von mehr als 1,5 Metern. Sie könnten an der Küste womöglich bis zu drei Meter hoch auflaufen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan richtete sich in einem Tweet an die Bevölkerung. Man stehe den vom Erdbeben betroffenen Menschen mit allen Mitteln bei. In Griechenland ist der stellvertretende Bürgerschutzminister auf dem Weg nach Samos.
Verschiedenen Berichten zufolge soll das Beben in der türkischen Metropole Istanbul und bis in die griechische Hauptstadt Athen zu spüren gewesen sein.
Die Europäische Union und die Nato wollen der Türkei und Griechenland nach dem schweren Erbeben in der östlichen Ägäis helfen. „Ich bin in Gedanken bei allen, die betroffen sind“, schrieb EU-Ratschef Charles Michel am Freitag auf Twitter. „Die EU hält sich bereit, Unterstützung zu leisten.“ Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg boten Hilfe an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus