Schwere Strafe für Courage: Rassismus-Eklat entscheidet Abstieg
Der FC Teutonia wirft dem Bremer SV rassistische Beleidigung vor und verlässt den Platz. Der Verband wertet das Regionalligaspiel gegen die Hamburger.
![Ex-Teutonia-Trainer David Bergner und Kapitän Marcus Coffie Ex-Teutonia-Trainer David Bergner und Kapitän Marcus Coffie](https://taz.de/picture/6294277/14/n3-Teutonia-Michael-Schwartz-dpa-1.jpeg)
Kurz vor Ende der ersten Halbzeit wird am Samstag das letzte Saisonspiel der Fußball-Regionalliga Nord unterbrochen, beim Stand von 1:2 für die Hamburger Gäste: Marcus Coffie, Kapitän des FC Teutonia, wirft seinem Bremer Gegenspieler Nikky Goguadze vor, ihn mit dem N-Wort rassistisch beleidigt zu haben. Dieser versichert, dass es sich um ein Missverständnis handele, so sein Verein später. Minutenlang steht das Spiel still, bis das Team aus Hamburg schließlich geschlossen das Feld verlässt.
Nach Abbruch des Spiels war zunächst unklar, wie das Spiel gewertet werden soll. Nun hat der NFV entschieden, das Spiel als Heimsieg für die Bremer zu werten: Weder der Schiedsrichter noch seine Assistenten hätten die vorgeworfene Beleidigung gehört und auch Videomaterial und Stellungnahmen der Vereine hätten die Situation nicht abschließend klären können.
Auf dieser Grundlage werde der beschuldigte Spieler nicht bestraft und das Spiel zugunsten des Bremer SV gewertet. Allgemein verurteile der Verband Rassismus und Diskriminierung „auf das Schärfste“ – aber das Spiel sei nicht vom Schiedsrichter, sondern „eigenmächtig“ vom FC Teutonia abgebrochen worden. Im Urteil heißt es wörtlich: „Vorliegend stellt sich jedoch die Frage, ob ein solcher Vorwurf es rechtfertigt, ein Spiel abzubrechen oder dieses nicht fortzusetzen.“
Plötzlich Chance auf Klassenerhalt
Für den FC Teutonia sei die Entscheidung des NFV ein „Schlag ins Gesicht“, heißt es in einer Stellungnahme des Vereins: Das Team solidarisiert sich mit Kapitän Coffie und kritisiert scharf, dass das Urteil und dessen Begründung Rassismus verharmlose und toleriere.
Der FC Teutonia habe keinerlei sportliche Motive für den Abbruch des Spieles gehabt, denn Tabellenplatz vier habe unabhängig vom Spielergebnis festgestanden. Das Spiel wäre ihnen als Vorbereitung für das Hamburger Pokalfinale am kommenden Samstag hingegen recht gewesen.
Anders der Bremer SV: Nur durch den Sieg am grünen Tisch haben die Bremer noch eine Chance auf den Klassenerhalt – durch zwei Relegationsspiele gegen den zweiten der Oberliga Niedersachsen, die USI Lupo Martini Wolfsburg. Die zweite Mannschaft von Werder Bremen dagegen ist durch die Entscheidung abgestiegen.
Die Entscheidung, den Platz als Team zu verlassen, sei eine „Konfrontation derjenigen Probleme, die sich schlicht nicht auf einem Sportplatz lösen lassen“, teilt der FC Teutonia auf seiner Website mit. Wenn Rassismus kein Grund sei, ein Spiel abzubrechen, fragt Teutonias Pressesprecher Deniz Ercin, „was wäre dann ein Grund?“
Der Norddeutsche Fußballverband in seinem Urteil
Auch Teutonias Kapitän Marcus Coffie, der dem Bremer Spieler die rassistische Beleidigung vorwirft, hat sich inzwischen zu dem Vorfall geäußert. Das Urteil zeige auf, so der Spieler, „dass wir ein riesengroßes Problem in unserer Gesellschaft haben“. Nach zahllosen Kampagnen gegen Rassismus im Fußball, müssen auch im konkreten Fall Grenzen aufgezeigt werden. „Es reicht mit den leeren Worten.“
Die einzigen, die im Zusammenhang mit dem Spiel am Samstag ein Zeichen gesetzt hätten, seien sein Team und er gewesen. Die sportliche Bedeutung des Spiels für den Bremer SV sei ihm bewusst, aber er betont: „Es gibt wichtigeres im Leben – und zwar das Leben selbst.“ Den Spielabbruch, verortet er damit in einem größeren Kampf gegen Rassismus.
Der Bremer SV hat sich hingegen nur in zwei kurzen Stellungnahmen geäußert. Darin heißt es, Der Bremer SV, „der sich für Vielfalt und Toleranz aktiv einsetzt“, habe sich unverzüglich nach dem Spiel mit dem Fall auseinandergesetzt. Dabei habe der betreffende Spieler „glaubhaft versichert, dass er niemanden rassistisch beleidigt hat“.
Der Verein gebe Rassismus keinen Raum und nehme seine Aufgabe ernst, aktiv gegen diesen vorzugehen. Wie dieser aktive Einsatz aussieht und inwiefern der Vorfall weiter aufgearbeitet werden soll, wird nicht weiter ausgeführt.
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