Schwere Kämpfe um Tigray: Äthiopiens Krieg bricht erneut aus
Nach fünf Monaten Ruhe wird wieder gekämpft. Äthiopiens Regierung und Tigray-Rebellen beschuldigen sich gegenseitig, Friedensprozess scheitert.
Ihr Ausmaß und Verlauf war nicht unmittelbar klar, aber von der Nachrichtenagentur Reuters zitierte Augenzeugen bestätigten den Einsatz schwerer Waffen seit dem frühen Morgen in der Stadt Kobo, einer Grenzstadt der Region Amhara an der Südgrenze Tigrays. Die tigrayische Seite meldete auch Kämpfe in mehreren Teilen Tigrays selbst.
Der Krieg um Tigray hatte im November 2020 begonnen. Damals hatte Äthiopiens Armee innerhalb weniger Wochen mit Unterstützung Eritreas die Kontrolle über Tigray übernommen, nachdem die Regionalregierung der TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) die alleinige Kontrolle über die militärische Infrastruktur der Region beansprucht hatte.
Im Mai 2021 eroberten die Tigray-Streitkräfte Tigrays Hauptstadt Mekelle zurück und stießen danach tief nach Äthiopien vor, unterstützt von lokalen Rebellen der Oromo-Ethnie, bis sie im November 2021 auf dem Sprung in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba 800 Kilometer südlich von Mekelle standen. Mittels zusammengewürfelter Milizen der Amhara-Ethnie wurden sie danach wieder bis fast an die Grenze Tigrays zurückgeworfen.
Seit der Jahreswende war der Konflikt faktisch eingefroren. Die Tigray-Rebellen kontrollierten das Zentrum und den Osten Tigrays rund um Mekelle. Der Westen an der Grenze zu Sudan ist von Milizen der Nachbarregion Amhara besetzt. Im Rest Äthiopiens hat sich zusätzlich ein ethnischer Konflikt zwischen Oromo und Amhara entwickelt.
Tigrays Rebellengebiet bleibt einer Blockade unterworfen und erleidet die nach UN-Angaben schlimmste Hungersnot der Welt. Vor genau fünf Monaten, am 24. März, erklärte Äthiopiens Regierung einseitig eine „unbefristete humanitäre Waffenruhe“ in Tigray. Doch noch im Juni hatten 89 Prozent der Bevölkerung laut UN-Welternährungsprogramm WFP zu wenig zu essen, 47 Prozent litten unter „schwerer Ernährungsunsicherheit“.
Nur ein Bruchteil der benötigten humanitären Hilfe kommt durch, vor allem weil die äthiopischen Behörden verhindern wollen, dass Benzin nach Tigray gelangt.
AU-Vermittlung für Friedensgespräche
Schritte in Richtung Frieden hatte zuletzt die Afrikanische Union (AU) unternommen, die ihren Sitz in Addis Abeba hat. Der AU-Sonderbeauftragte für Äthiopien, Nigerias Expräsident Olusegun Obasanjo, holte in den vergangenen Monaten die Zustimmung beider Seiten zu Friedensgesprächen ein.
In Addis Abeba und Mekelle entstanden im Juli staatliche „Friedenskomitees“ und es fanden sogar zwei Runden Direktverhandlungen zur Vorbereitung formaler Gespräche statt.
Doch der erste Stolperstein erwies sich bereits als der entscheidende: Die Tigray-Rebellen sehen die AU-Vermittlung als unzureichend an, weil die AU in Addis Abeba sitzt, und verlangen, dass Gespräche in Kenias Hauptstadt Nairobi stattfinden, mit dem dortigen Präsidenten Uhuru Kenyatta als Schirmherr. Die äthiopische Regierung hingegen beharrt darauf, dass die Vermittlung ausschließlich bei der AU liegt.
Die Vorgespräche zeigten auch, wie weit beide Seiten auseinanderliegen. Tigrays Rebellen verlangen als ersten Schritt die Aufhebung der Blockade ihrer Region. Äthiopiens Regierung verlangt als ersten Schritt einen Waffenstillstand.
Tigray verlangt außerdem, dass es den von Amhara besetzten Westen der Region zurückerhält. Äthiopiens Regierung kann das nicht tun, ohne sich die mächtigen Amhara-Milizen zum Feind zu machen.
Am einfachsten lassen sich solche Unstimmigkeiten durch eine neue Kriegsrunde überwinden, die klärt, wer der Stärkere ist. Bereits vor einer Woche warnte die Tigray-Regionalregierung in einem Schreiben an die Vermittler, dass „Äthiopiens Regierung und ihre Verbündeten erneut zum Krieg trommeln“.
Am Montag erklärte der äthiopische Generalstab, die Kampfbereitschaft der Streitkräfte sei „besser als je zuvor“ und man stehe bereit, „jede feindliche Kraft zu zerstören“. Am Dienstag wurde den äthiopischen Medien verboten, „unnötige Informationen“ über militärische Aktivitäten zu verbreiten.
Jetzt ist klar, warum.
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