Kämpfe in Äthiopien: Neuer Krieg weitet sich aus

Äthiopien bombardiert in der Region Tigray erneut zivile Ziele in der Hauptstadt Mekelle. Tigray-Kämpfer rücken am Boden vor.

Ein Mann kriecht am Boden zwischen Kinderspielzeug

Mekelle, 26. August: Zerstörter Kindergarten nach einem äthiopischen Luftangriff Foto: Tigrai TV / reuters

BERLIN taz | Eine Woche nach dem Zusammenbruch der „humanitären Feuerpause“ in Äthiopiens nördlichster Region Tigray wird der Krieg zwischen Tigrays rebellierender Regionalregierung und der äthiopischen Zentralregierung immer heftiger. Äthiopiens Luftwaffe flog in der Nacht zu Mittwoch erneut Luftangriffe auf Tigrays Hauptstadt Mekelle.

Ein Wohngebiet in der Nähe des Ayder-Krankenhauses, wichtigste Gesundheitseinrichtung der Stadt, sei von einem Drohnenangriff getroffen worden und Opfer würden eingeliefert, berichtete am Morgen Krankenhauschef Kibre Gebreselassie. Auch ein Stadtteil, in dem Kriegsvertriebene leben, sei getroffen wurden. Mögliche Opferzahlen wurden zunächst nicht mitgeteilt.

Am vergangenen Freitag bereits hatte ein Luftangriff auf Mekelle einen Kindergarten getroffen; mindestens sieben Menschen wurden dabei getötet.

Am Boden scheinen unterdessen die Tigray-Rebellen der TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) auf dem Vormarsch zu sein, insbesondere in Tigrays südlicher Nachbarregion Amhara. Am Samstag zog sich Äthiopiens Armee aus der Stadt Kobo im Norden Amharas zurück, wo am 24. August die neuen Kämpfe begonnen hatten. Die Regierung begründete den Rückzug mit der Notwendigkeit, „massive Opfer innerhalb der Stadt“ zu vermeiden, nachdem die TPLF sich in Kobo „eingenistet“ habe.

Am Mittwoch warf die äthiopische Regierung der TPLF eine Ausweitung ihrer Offensive auf andere Regionen vor, so der von Amhara-Milizen besetzte Westteil der Region Tigray an der Grenze zu Szdan. „Unsere heldenhaften Streitkräfte verteidigen sich gegen diese Invasion“, hieß es.

TPLF-Sprecher Getachew Reda warf Äthiopiens Regierung vor, „erfundene Geschichten“ zu verbreiten. TPLF-nahe Quellen warfen im Gegenzug Eritrea vor, zur Unterstützung Äthiopiens militärisch einzugreifen.

Außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen

Die Zeitung Addis Standard in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba berichtet derweil fast jeden Tag von neuen Orten in Amhara, in denen außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen in Erwartung möglicher TPLF-Vorstöße getroffen werden. Dazu gehören Orte mehrere Hundert Kilometer vom Kriegsgeschehen entfernt, die aber bei der letzten TPLF-Blitzoffensive Richtung Addis Abeba im Oktober und November 2021 schon einmal an die Rebellen gefallen waren.

Betroffen sind, etwa die Städte Dessie und Kombolcha auf halbem ege zwischen Mekelle und Addis Abeba sowie Debre Birhan nur 130 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Mit Spannung wird auch beobachtet, ob die TPLF erneut die alte Stadt Lalibela einnimmt, die mit ihren jahrtausendealten Felsenklöstern zum Weltkulturerbe gehört.

In diesen und anderen Städten gilt ab sofort eine totale nächtliche Ausgangssperre. Das Verbreiten „falscher Informationen und Gerüchte zur Unterstützung der Ideen und Aktivitäten des Feindes“ sowie von „Konfusion und Terror“ ist verboten. Bewohner sollen „verdächtige Aktivitäten“ melden. Zusammenkünfte in Vergnügungsorten wie Cafés, Khat-Bars und Videotheken sind untersagt.

Kriegsvertriebene, von denen es in Amharas Städten sehr viele gibt, dürfen ihre Lager nicht mehr verlassen. Alle Menschen sind angehalten, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Solche Maßnahmen gingen im vergangenen Jahr oft mit ethnischer Stigmatisierung und Gewalt einher.

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