Schweizer Homophobie-Referendum: Rechtspopulisten zurückgewiesen
In einem ermutigenden Votum fordern Schweizer:innen, homophobe Äußerungen unter Strafe zu stellen. Das Grundgesetz hat Nachholbedarf.
B emerkenswert am schweizerischen Votum für ein künftiges Verbot homophober Äußerungen ist weniger, dass es erfolgreich war. Knapp zwei Drittel der Teilnehmer:innen wollen, dass öffentlich-homophobe Äußerungen in Zukunft geächtet werden. Für Erstaunen sorgt vielmehr der Umstand, dass ein weiteres Mal ein rechtspopulistisches Anliegen souverän von der plebiszitär abstimmenden Bevölkerung zurückgewiesen wurde: Hass hat keine Majorität – Fiesheit und Gehässigkeit als Mittel des öffentlichen Diskurses gelten als unappetitlich, das dürfen die Rechten einmal mehr zur Kenntnis nehmen.
Dass mit dieser kleinen Strafrechtsänderung Homophobie nicht verschwinden, allenfalls geringer wird, ändert am famosen Resultat der Volksabstimmung nichts. Das ist ja sowieso der entscheidende Fortschritt in queeren Fragen, was die vergangenen 40 Jahre anbetrifft: Schwulen- und Lesbenfeinde gibt es nach wie vor, Homophobie nistet in manchen Ecken hartnäckig, aber die Täter:innen, die sich so äußern, wissen mehr und mehr, dass sie dies nicht mehr zur allgemeinen Gefälligkeit tun können. Sie dürfen realisieren: Sie tun dies künftig strafbewehrt und außerdem aus der Position der moralisch Minoritären.
Dass die Schweiz in diesem Sinne abstimmte – ein Land, strukturell eher langsam, ja, auch stark konservativ –, ist nicht verwunderlich: Überall in der westlichen Welt mag es rechte Bewegungen geben, die als Schmiermittel ihrer Agitationen auf Hass, Missgunst und Xenophobie setzen. Aber nirgendwo haben sie Mehrheiten hinter sich, sie tun allenfalls so, als wären diese auf ihrer Seite.
Dies zu wissen ist wichtig deshalb, weil das ewige linke Gerede vom „Rechtsruck“ und „Backlash“ erstens sich nicht mit der Wirklichkeit in Deckung bringen lässt und zweitens mit apokalyptisch anmutender Rhetorik sich um die Zuversicht bringt, gerade bei den Kämpfen in Sachen Hass und Integration gewinnen zu können.
Das eidgenössische Votum ist ermutigend. Es wird Zeit, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik mit seinem Artikel 3 um einen Passus ergänzt wird, dem zufolge auch niemand wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden darf. Es wäre überfällig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind