Schweizer Endlagerfrage: Strahlender Müll
Darauf, wo die Schweiz ihre radioaktiven Abfälle lagert, hat Deutschland keinen Einfluss. Für das nahegelegene Hohentengen ist das Pech.
B edauerlicherweise liegt Bayern von Stadel im Kanton Zürich 130 Kilometer weg: Wahrscheinlich ist das zu weit, um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu beeindrucken und seine Begeisterung für eine Laufzeitverlängerung zu dämpfen. Nach Hohentengen in Baden-Württemberg hingegen braucht man vom designierten Schweizer Endlagerstandort Nördlich Lägern jedoch nur eine Stunde zu Fuß.
Dort ist man nicht froh über die Ankündigung der Nationalen Endlagersuch-Genossenschaft (Nagra), den Atommüll gleich auf der anderen Rheinseite für die nächsten 200.000 Jahre in Ton einzuschließen. Für die Gegend ist das schlimm. Auch erschüttert das Erdbeben gleich nebenan die optimistische Einschätzung der Nagra in Bezug auf die Tektonik, und ob sie alle rechtlichen oder plebiszitären Hürden nimmt, wird erst in zehn Jahren feststehen.
Dadurch, dass die professionellen Endlagensucher*innen den jetzt für ideal befundenen Standort 2015 für ungeeignet erklärt und erst auf Druck der Atomaufsichtsbehörde wieder ins Verfahren zurückgeholt hatten, ergeben sich möglicherweise juristische Hebel und ganz sicher Zweifel an der sachlichen Motivation, ihn jetzt doch zu wählen.
Das erinnert daran, dass es um ein Problem geht, für das es keine gute Lösung gibt. Von den schlechten hatte die Schweiz, das Verfahren betreffend, mit einer – so die Idee – unabhängigen Genossenschaft schon vor 50 Jahren die beste gefunden. Man hält am Grundsatz fest, selbst produzierten Müll zu Hause zu verklappen. Und dass man bei der Frage des Wirtsgesteins auf Opalinuston-Standorte verfallen ist, scheint geologisch nachvollziehbar.
Bedeutet: Es kann fachlich gute Argumente gegen Nordlich Lägern geben. Die Nähe zu Deutschland gehört nicht dazu. Denn keiner der nach den benannten Kriterien plausiblen Standorte läge in nennenswert größerer Entfernung zur Grenze. Darauf Rücksicht zu nehmen, wie deutsche Bürgerinitiativen von der Schweiz fordern, ist blanker Nationalismus: Kein Land hat einen Anspruch auf einen Sicherheitskorridor zum Nachbarn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen