Schweinepest in Brandenburg: Stallpflicht gefährdet Biobauern
Die Afrikanische Schweinepest schränkt alle Landwirte im Südosten Brandenburgs ein. Doch die Öko-Viehhalter bangen besonders.
Seitdem am 10. September das erste infizierte Wildschwein im Südosten Brandenburgs tot gefunden wurde, ist die Zahl bestätigter Fälle bis vergangenen Dienstag auf 49 Tiere gestiegen. Drei Schutzzonen mit unterschiedlichen Einschränkungen umgeben die Fundorte. Sie sollen die Ausbreitung des tödlichen Virus unter Wildschweinen und das Überspringen auf Hausschweine verhindern. Die äußerste, die sogenannte Pufferzone, reicht bis auf 2 Kilometer an den Hof der Staars heran.
Problematisch wird es für die Brüder, falls sie in die zweite, die gefährdete Zone rutschen. Felder abzuernten oder zu pflügen ist dort verboten, Streu darf erst nach langer Lagerung verwendet werden. Schweine und Schweinefleisch dürfen nur noch innerhalb der Zone verkauft werden, die Tiere sind nach Tierseuchen-Allgemeinverfügung des Landkreises Oder-Spree „abgesondert“ zu halten. „Wir fürchten, dass wir dann aufstallen müssen“, sagt Michael Staar – dass sie die Schweine also in einen geschlossenen Stall ohne Auslauf bringen müssen. Der Landkreis Oder-Spree hat das bestätigt.
Das Problem: Einen Stall müssten die Staars erst suchen und anmieten. Und damit nicht genug. Ställe für Biohaltung brauchen Einstreu, ein Spaltenboden ist nicht erlaubt. „Das Stroh müssen wir zukaufen, außerdem brauchen wir Personal, das streut und mistet. Unser Haltungskonzept wäre damit futsch“, sagt Henrik Staar. Wirtschaftlich sei das nicht mehr zu machen.
Existenzielle Bedrohung
Damit sind die Brüder nicht allein. Von 36 befragten Biohöfen mit Schweinehaltung in Brandenburg gab über ein Drittel an, keinen Stall für die Tiere zu haben, sagt Sascha Philipp, agrarpolitischer Sprecher der Ökoanbauverbände Brandenburg. Die Bedrohung sei für diese Höfe „existenziell“, fügt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin Brandenburg (FÖL) hinzu.
Dass die Schutzmaßnahme notwendig ist, halten sie für fraglich. Die Viren der Afrikanischen Schweinepest überleben wochenlang im Boden und können über Hunde oder Vögel weitergetragen werden. Für Menschen ist das Virus ungefährlich, für Schweine fast immer tödlich. „Klar ist das Übertragungsrisiko in der Freilandhaltung größer“, sagt Philipp. Doch Wimmer findet das vertretbar. „Es geht um die Wahrscheinlichkeit, dass eine Krähe vorbeizieht und über der Weide etwas fallen lässt.“ Dass die doppelten Zäune durchbrochen werden, hält er für unwahrscheinlich. Das Landwirtschaftsministerium Brandenburg und der Landkreis Oder-Spree begründeten die Entscheidung zur Stallpflicht auf Anfrage der taz nicht.
Noch schnüffeln die 85 braun-schwarzen Schweine auf Gut Hirschaue in der Erde, wälzen sich in den Suhlpfützen. Wird ein Tier geschlachtet, erfolgt das einzeln auf der Weide. Verarbeitet wird das Fleisch in der hofeigenen Fleischerei, in Berlin und Brandenburg verkauft. Dass der Preis für konventionelles Schweinefleisch wegen der Schweinepest gefallen ist, betrifft die Brüder nicht. Ihre Fleischprodukte sind Luxusware. Doch die Vermarktung wäre trotzdem schwierig. Denn in der Gefährdungszone ist bereits der 60 Kilometer entfernte Stadtrand von Berlin zu weit.
Auslauf gewohnt
Außerdem steckt Schweinefleisch in weiteren Produkten wie der Hirschsalami, die das gefährdete Gebiet dann auch nicht mehr verlassen dürfe. Dass die Afrikanische Schweinepest die ökologische Schweinehaltung deutschlandweit ausbremst, fürchtet Wimmer hingegen nicht, „solange das Virus nicht die Regionen mit intensiver Schweinehaltung bei Vechta oder Cloppenburg erreicht“.
Wie die Staars mit der Stallpflicht weiterarbeiten könnten, ist ihnen noch nicht klar. Wenn sie der Auflage nicht nachkommen, müssen sie die Tiere sofort schlachten. Michael Staar ärgert, dass alternative Haltungsformen in der politischen Diskussion kaum Beachtung finden. Sein Hof hat Preise gewonnen, gehört zu den Demonstrationsbetrieben des ökologischen Landbaus.
Jetzt fragt er sich, was die Auszeichnungen wert sind: „Wenn wir bei der ersten Krise die Freilandhaltung ausschließen, kann man die Debatte ums Tierwohl beenden.“ Dass er seine Tiere einfach in einen Stall sperren kann, bezweifelt er. „Die sind es gewohnt, Auslauf zu haben, haben hier ihre soziale Ordnung ausgehandelt.“ Sperre er sie in einen Stall, griffen die Großen die Kleinen an.
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