Schweine vor Tierseuche schützen: Dänemark baut einen Zaun
Wildschweine könnten von Deutschland zum Nachbarn herüberlaufen und die Schweinepest verbreiten. Kann ein Zaun das im Ernstfall verhindern?
70 Kilometer lang und 1,5 Meter hoch soll der Zaun werden, dazu einen halben Meter tief in die Erde reichen. Das Gittergerüst aus Stahl soll Wildschweine davon abhalten, von Schleswig-Holstein auf die dänischen Äcker zu wechseln, schließlich könnte eines der Tiere an der Afrikanischen Schweinepest, kurz ASP, erkrankt sein.
Für Tobias Langguth, Sprecher des Umweltverbands BUND in Schleswig-Holstein, ist der Plan schlicht „Schwachsinn“. Denn gegen die Ausbreitung der Tierseuche helfe das Bauwerk nicht: „Es ist der Mensch, der die Erreger verbreitet“, so Langguth zur taz. Der Generalsekretär von WWF Dänemark, Bo Øksnebjerg, nannte den Plan auf Anfrage von dpa eine „wirklich schlechte Idee“. Und Wolfgang Stapelfeld, Landwirt und Kreisvorsitzender des Bauernverbands im Bereich Südtondern, sprach bei einer Ortsbesichtigung an der dänischen Grenze von „Symbolpolitik. Dänemark will zeigen, dass es wirklich alles gegen die Seuche tut.“
ASP ist für Menschen harmlos, tötet aber so gut wie alle befallenen Schweine, egal ob Haus- oder Wildtiere. Seit Jahren breitet sich die Seuche aus. Allein in den ersten Wochen dieses Jahres wurden erkrankte Tiere unter anderem in Polen und Lettland gefunden. Europaweit gab es im vergangenen Jahr tausende Fälle.
Ist nur ein Ferkel infiziert, müssen alle Schweine sterben
Noch ist in Deutschland kein krankes Schwein entdeckt worden, aber die Landwirte sind besorgt: „Wenn ASP ausbricht, ist das eine Katastrophe“, sagte Stapelfeld. Betroffen wären konventionelle wie Bio-Betriebe, sagt Peter Boysen, Landesvorsitzender des Anbauverbands Bioland. Denn wird nur ein Schwein mit dem Pesterreger gefunden, muss der gesamte Bestand sterben. „Für Landwirte mit Herz und Seele ist das hart, wenn die Schweine sinnlos getötet werden wegen so einem blöden Virus.“
In Dänemark mit seinen knapp sechs Millionen EinwohnerInnen werden 12,6 Millionen Schweine gehalten, die meisten in Großstallungen. Wenn ASP ausbricht, müssten vermutlich hunderttausende Tiere gekeult werden – Schäden im Millionenbereich. Zudem würde der Export einbrechen – mit spürbaren Folgen für die Gesamtwirtschaft. Denn die Exporte von Ferkeln und Schweinefleisch bringen vier Milliarden Euro pro Jahr. Laut einem Bericht der Fachzeitung Fleischwirtschaft entspricht das fünf Prozent der dänischen Gesamtexporte.
Die Krankheit sei „eine ernstzunehmende Bedrohung für die Tiere und den Schweinemarkt“, bestätigte Schleswig-Holstein Landwirtschafts- und Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) der Agentur dpa. Tatsächlich zeigt der im vergangenen Jahr vorgestellte Artenvielfaltsbericht einen deutlichen Anstieg von Wildschweinen im nördlichsten Bundesland. Über 19.000 Tiere wurden in einem Jahr erlegt.
Allerdings verirren sich die grau-behaarten Schweine fast nie in die waldlosen nördlichen Regionen Schleswig-Holsteins: Nur einige Dutzend wurden nahe der dänischen Grenze geschossen. Und sollte es doch einzelne Tiere geben, könnten die auch den Zaun passieren, der unter anderem an den Straßen zahlreiche Öffnungen hat. Naturschutzgruppen befürchten allerdings, dass andere Arten wie Rehe oder Marder die Durchlässe nicht so leicht finden und es dadurch zu vermehrter Inzucht auf beiden Seiten der Grenze kommt. So hat auch Minister Albrecht „erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit eines Zaunes“.
Aber die Draußen-bleiben-Botschaft des Zauns passt zu anderen Entscheidungen, die das früher so liberale und weltoffene Dänemark in den vergangenen Jahren getroffen hat. Dabei ging es nicht um Tiere, sondern um Geflüchtete, denen das Land den Grenzübergang verbieten wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?