Schwedens sonstige Parteien: 39 Stimmen für die bösen Hühner
In Schweden treten zur EU-Wahl 122 Parteien an. Nicht alle wollen wirklich ins Europäische Parlament, haben aber einen Auftrag.
Sie wollen ein Lizenz-System für alle, damit nie wieder ein Social-Media-Video wegen der Verletzung von Urheberrechten gesperrt wird. Sie fordern ein Ende der Cookie-Pop-up-Fenster – und für Wahlen eine Dreiprozenthürde. „Davon abgesehen sind wir vor allem eine Scherz-Partei“, heißt es im Wahlprogramm der „Böses-Huhn-Partei“. Sie glaubten nicht daran, jemals in irgendein Parlament zu kommen.
Warum sie trotzdem antreten? „Weil wir es können. Und weil wir es dürfen. Es ist unser Recht“, schreiben sie. Das schwedische Wahlrecht macht es ihnen sehr leicht – ihnen und den 121 anderen Parteien, die bei der EU-Wahl in Schweden dieses Jahr antreten. Seit 2018 gelten die niedrigschwelligen Voraussetzungen: Man meldet sich online an, fertig. Dieser Zugang werde als wichtiges demokratisches Recht angesehen, sagt Politikwissenschaftlerin Linda Berg von der Universität Göteborg.
Darüber entschieden damals alle Reichstagsparteien. Aber es gibt Kritik: „Die Wahlbehörde ist der Ansicht, dass die Hürden etwas höher sein sollten“, sagt deren Leitende Mitarbeiterin Helena Ihrstedt Harling. Das System mache es Wählenden schwer zu erkennen, hinter welcher Partei eine richtige Vereinigung mit politischem Programm stehe.
Wer sich die Liste ansieht, bekommt zumindest eine Ahnung. Unter den 122 Parteien finden sich: Die Chillpartei, Die am wenigsten schlechte Partei, die Donald-Duck-Partei und „Jetzt reicht es verdammt noch mal“. „Die meisten von diesen bekommen überhaupt keine Stimmen“, sagt Berg. Manche unzufriedene Wähler fänden es wohl lustiger, für sie zu stimmen, als einen leeren Wahlzettel abzugeben.
Natürlich gibt es auch Kleinparteien mit Wahlprogramm und Kandidaten – etwa die erst im April gegründete Folklista (Volksliste). Aber die meisten gehören am Ende zur Kategorie „Die Anderen“. Der „Böses-Huhn-Partei“ macht das nichts. Auf ihrer Seite schreiben sie stolz: 39 Stimmen bei der letzten Parlamentswahl! 0,00060205681131570 Prozent!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen