piwik no script img

Schwedens feministische AußenpolitikNein heißt tatsächlich Nein

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Schwedens rechtsbürgerliche Regierung kippt die feministische Außenpolitik. Wird etwas nicht mehr benannt, verschwindet es auch in der Realität.

Regierungswechsel in Schweden im Königspalast am 18.Oktober 2022 Foto: Jessica Gow/ap

S chweden, jenes Land, das 2014 die Welt damit überraschte, künftig eine feministische Außenpolitik betreiben zu wollen, streicht diesen Anspruch jetzt von seiner politischen Agenda. Tobias Billström, Außenminister der neuen Regierung aus Christdemokraten, Liberalen und Moderaten, versichert zwar, dass die „Gleichstellung der Geschlechter ein grundlegender Wert in Schweden“ sei und daher ein „grundlegender Wert für diese Regierung“.

Der Vorgang ist bemerkenswert. Als eines der ersten Vorhaben überhaupt kippt die neue rechtsbürgerliche Regierung ein dezidiert linkes Projekt, das ihrerzeit die Sozialdemokratin Margot Wallström installiert hatte. Und nun erfolgt das Ende eines Politikansatzes, der in Kriegszeiten stärker denn je Beachtung finden sollte. Das ist ganz sicher im Sinne der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die die Minderheitskoalition in Stockholm unterstützen.

Nun könnte man sagen: So wichtig ist der Begriff „feministische Außenpolitik“ nicht, solange dieser Politikansatz erhalten bleibt. Ohnehin können ihn die wenigsten Menschen erklären. Auch in Deutschland, das sich mit der Grünen Annalena Baerbock ebenfalls einer feministischen Außenpolitik verschrieben hat, haben einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Körber-Stiftung zufolge 60 Prozent der Menschen die Bezeichnung noch nie gehört. Warum also viel Kraft in etwas investieren, das verbal nur marginal wirkt?

Ein Anti-Framing

Ganz einfach: Weil etwas in der Realität verschwindet, wenn es nicht konkret benannt wird und damit ins Bewusstsein der Menschen rückt. Das ist, wenn man so will, das Anti-Framing. Im Gegensatz zum Framing, bei dem Gedankenprozesse durch Erzählmuster und Narrative bewusst gesteuert werden, wird durch das Weglassen einer Definition auch der dahinterstehende Inhalt gekillt.

Vermutlich ist genau das der Plan der rechtsbürgerlichen Regierung. Es ist zu befürchten, dass er durch die geschickte Kommunikation aufgeht. In diesem Fall heißt Nein zum Begriff tatsächlich Nein zum Konzept.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wenn die schwedische Variante der feministischen Außenpolitik genauso aussieht wie die der deutschen, dann können wir getrost drauf verzichten!



    Ob uns Realpolitik mit oder ohne Zuckerguß verkauft wird, kann uns herzlich egal sein