Feministische Außenpolitik in Schweden: Ihre größte Aufgabe
Die schwedische Regierung veröffentlicht Leitlinien für eine feministische Außenpolitik. Es ist das Herzensprojekt von Außenministerin Wallström.
Fast genau vier Jahre ist sie nun im Amt, und genauso lange verfolgt sie ihr größtes Projekt: Eine feministische Außenpolitik. Für eine solche will Margot Wallström als schwedische Außenministerin nicht nur im eigenen Land Maßstäbe setzen. Auch andere Länder sollen sich ein Beispiel nehmen können. Deshalb hat die schwedische Regierung nun ihr Handbuch für eine feministische Außenpolitik auf ihrer Homepage veröffentlicht – als Leitfaden für Regierungen in der ganzen Welt.
Darin geht es um unterschiedliche außenpolitische Aspekte von Geschlechtergerechtigkeit: politische Teilhabe von Frauen, beispielsweise bei Friedensverhandlungen, oder sexuelle Gewalt in Konflikten, deren Opfer zumeist Frauen sind. Das 111 Seiten starke Dokument schildert aber auch die Erfahrungen, die die schwedische Regierung mit ihren Leitlinien in den vergangenen Jahren gemacht hat – hauptsächlich natürlich die Erfolge.
Unterhält man sich mit Wallström über ihre Beweggründe, gibt sie sich stets freundlich, wenn auch mit einer gewissen Kühle – und wirkt gleichzeitig beinahe belustigt angesichts der medialen Aufmerksamkeit, die das Thema erhält, während die internationale Unterstützung noch immer zu wünschen übrig lässt. „Frauen stellen die Hälfte der Weltbevölkerung, weshalb feministische Politik ganz einfach eine Frage der Demokratie ist“, erklärte sie im Interview mit der taz.
Die 63-jährige Sozialdemokratin hat in ihrer Laufbahn genug Schlimmes gesehen, um rasend wütend zu werden angesichts dessen, was Frauen in Kriegs- und Krisengebieten oft widerfährt. Vor ihrer Rückkehr in die schwedische Politik arbeitete sie bei den Vereinten Nationen als Sonderbeauftragte zum Thema Sexuelle Gewalt in Konflikten. Über diese Zeit sagt sie selbst: „Sie haben mir Albträume beschert und mein Herz schwer gemacht, aber sie haben mir auch Hoffnung gegeben.“
Unerwünschte Person in Israel
Wallström ist nicht nur Außenministerin, sondern als dienstälteste schwedische Ministerin auch Stellvertreterin des Ministerpräsidenten Stefan Löfven. Umso mehr polarisiert sie oft mit ihren Entscheidungen: 2014 setzte sie sich für die Anerkennung des Staates Palästina durch Schweden ein; 2016 wurde sie von der israelischen Regierung zur unerwünschten Person erklärt, nachdem sie öffentlich eine „gründliche und glaubwürdige“ Untersuchung der Tötung Dutzender Palästinenser gefordert hatte.
Wallströms engster Verbündeter auf dem internationalen Parkett ist, zumindest beim Thema feministische Außenpolitik, der kanadische Premier Justin Trudeau. Gut möglich, dass das Thema nun auch bei anderen Regierungschefs mehr Aufmerksamkeit erfährt, die sich außenpolitisch bisher eher rückständig zeigten in Sachen Geschlechtergerechtigkeit.
Schließlich wird von Margot Wallströms Regierung Schritt für Schritt erklärt, wie es geht – angefangen von mehr Botschafterinnen bis zur Stärkung der Menschenrechte für Mädchen und Frauen in anderen Ländern. Und so ein PDF-Dokument kann man schließlich auch mal eben verstohlen auf dem Tablet unter dem Kabinettstisch lesen. Für Wallström selbst wäre das nach vielen Jahren der Vorbereitung sicherlich der größte Triumph ihrer Karriere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben