: Schwarzwald-Rebellen kaufen Stromnetz
■ Erfolg nach elf Jahren Arbeit: Schönauer Bürgerinitiative überweist 5,7 Millionen Mark an den bisherigen Energieversorger, um selbst atomfreien Strom zu erzeugen
Schönau (taz/AFP) – Erstmals in der Bundesrepublik wird in dieser Woche eine Bürgerinitiative das Stromversorgungsnetz einer Gemeinde übernehmen. Die „Stromrebellen“ des Schwarzwaldortes Schönau kaufen vom bisherigen Energieversorger des Ortes, den Kraftübertragungswerken Rheinfelden AG (KWR), für zunächst 5,7 Millionen Mark das Leitungsnetz. „Die Ini hat den Kaufpreis überwiesen, so daß das Geld zum 1. Juli beim bisherigen Betreiber ankommt“, sagte Ursula Sladek von der Schönauer Energie-Initiative. Heute sollen im Rathaus Schönau die in der vergangenen Woche unterzeichneten Kaufverträge übergeben werden.
Damit haben die etwa 2.500 Schwarzwälder sich nach elf Jahren gegen ihr bisheriges Stromunternehmen durchgesetzt. Seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wollen die Schönauer ihren eigenen Strom erzeugen, weil die KWR auch Atomstrom vertreibt. Genauso lange versucht der Energieversorger die Gemeinde mit der in der Branche üblichen Mischung aus Lockangeboten und Drohungen davon abzuhalten.
Die Bürgerinitiative sammelte jedoch unverdrossen Million um Million für den Netzkauf von Anlegern und Spendern. Gleichzeitig gewann sie im Laufe der Jahre eine Mehrheit der Einwohner für eine eigenständige Stromerzeugung aus Wind- und Wasserkraft samt einem Blockheizkraftwerk. Seit September 1996 lief die Kampagne „Ich bin ein Störfall“ mit Werbeagenturen und Umweltverbänden für die letzte Million.
Bevor die Vereinbarung mit der Krafterzeugung Rheinfelden vollständig in Kraft tritt, muß jedoch vor Gericht noch der endgültige Kaufpreis ausgefochten werden. Die KWR wollte 8,7 Millionen Mark. Ein von der BI in Auftrag gegebenes Gutachten schätzte den Netzpreis hingegen auf 3,9 Millionen Mark. Die Energieversorger verlangen bei einer Übertragung der Rechte an Masten, Transformatoren und Leitungen meist den Preis, den ein Neubau der Anlagen heutzutage kosten würde. Im sonstigen Geschäftsleben ist hingegen der Zeitwert üblich.
Die „Stromrebellen“ wollen mit ihrem Musterprozeß auch einen Präzedenzfall für ähnliche Vorhaben in anderen Gemeinden schaffen. Für einen langwieriges Gerichtsverfahren fehlten den meisten Gemeinden bisher sowohl die Mittel als auch die Nerven. rem
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