Schwarz-gelbe Koalition in NRW: Viel versprochen, wenig erreicht
Nach zweieinhalb Jahren Schwarz-Gelb macht sich in Nordrhein-Westfalen Enttäuschung breit: Ministerpräsident Armin Laschet rede vor allem viel.
Die Wähler*innen belohnten die CDU dafür mit einem Ergebnis von 33 Prozent – die SPD von Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft holte 31,2 Prozent. 30 Monate später aber macht sich Ernüchterung breit. Am Montagmorgen meldete nicht nur der WDR rund 300 Kilometer Stau. Die Arbeitslosenquote liegt mit offiziell 6,4 Prozent weiter über dem Bundesschnitt – in Problemregionen wie Gelsenkirchen sind es sogar mehr als 10 Prozent. Hier leidet die Wirtschaft immer noch am Niedergang der einst so wichtigen Schwerindustrie.
Laschet versuche sich als Moderator, sagt Nordrhein-Westfalens DGB-Chefin Anja Weber trotzdem diplomatisch – ihr Gewerkschaftsbund registriert, dass der Regierungschef den Strukturwandel im einstigen Steinkohlerevier mit einer „Ruhrkonferenz“ beschleunigen will und mit seinem „industriepolitischen Leitbild“ besonders Jobs und die Energie-Versorgungssicherheit im Blick hat. Realpolitisch verbucht Weber aber nur das kostenfreie Kita-Jahr und gute Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst auf Laschets Habenseite.
Größtes Problem seiner Regierung bleibe das Dogma der „Schwarzen Null“, an der CDU-Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper ebenso festhalte wie sein SPD-Pendant Olaf Scholz im Bund, sagt die DGB-Chefin: „Wir haben eine riesige Finanzierungslücke in der öffentlichen Infrastruktur.“ Die Entschuldung der Städte gerade im Ruhrgebiet komme nicht voran, zurück blieben marode Schulen und kaputte Straßen.
Auch die Sozialverbände sind ernüchtert
Auf Investitionen in der Niedrigzinsphase drängen auch die Einzelgewerkschaften: Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, fordert immer wieder mehr Geld für Schulen in Brennpunktvierteln, die Bekämpfung des Lehrermangels und die im Wahlkampf versprochene gleiche Bezahlung der Grundschullehrer*innen.
Ernüchtert zeigen sich auch die Sozialverbände. Von Laschets Versprechen, Nordrhein-Westfalen zum „sozialen Gewissen Deutschlands“ machen zu wollen, sei wenig zu spüren, kritisiert Franz Schrewe, NRW-Landeschef des Sozialverbands Deutschland. Mit dem Argument des Bürokratieabbaus seien Qualitätsstandards etwa in der Pflege reduziert worden – dabei kostet ein stationärer Pflegeplatz mit rund 2.500 Euro im Monat nirgendwo mehr als in NRW. Und Horst Vöge, Landesvorsitzender des Sozialverbands VdK, beklagt, es fehlten tausende barrierefreie Wohnungen für Ältere und Behinderte.
Denn der Wohnungsmarkt ist nicht nur in Großstädten wie Köln dramatisch angespannt. Trotzdem hat die schwarz-gelbe Landesregierung wichtige Schutzbestimmungen wie die Mietpreisbremse auf den Prüfstand gestellt. „Das ist Zeitverschwendung“, findet Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des Mieterbunds in NRW. Erst das Bündnis „Wir wollen wohnen“, dass 300.000 Unterschriften für den Erhalt des Mieterschutzes gesammelt hat, habe weitere Einschränkungen etwa im Bereich Zweckentfremdung verhindert.
Enttäuscht sind auch Umweltschützer*innen. Trotz massiver Proteste und der Besetzung des Hambacher Walds bekenne sich Regierungschef Laschet noch immer nicht eindeutig zum schnellen Ende der Braunkohleförderung, kritisiert Dirk Jansen vom Umweltverband BUND. Die Windkraft habe Laschets Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart ausgebremst. Und Ministerpräsident Laschet selbst hält das seit Jahren umkämpfte Kohlekraftwerks Datteln IV für sinnvoll – den Empfehlungen der Kohlekommission und vom BUND erwarteter Kohlendioxid-Mehremissionen von jährlich 2 Millionen Tonnen zum Trotz.
„Nichts als Wahlkampfblasen“
Beispielhaft für „den kompletten Stillstand der Natur- und Umweltpolitik in NRW“ sei der Landesentwicklungsplan, der immer neue Flächen für den Bau von Industriegebieten auf der grünen Wiese bereitstelle, sagt Heike Naderer, Vorsitzende des Naturschutzbunds Nabu. Das Ergebnis: Statt alte Industriebrachen wie Zechenstandorte im Ruhrgebiet zu reaktivieren, werden in NRW jeden Tag mehr als 10 Hektar unverbrauchte, unbelastete und damit aber eben auch billige Natur zugebaut.
„Nichts als Wahlkampfblasen“ habe Laschet produziert, heißt es auch aus der Antiatomkraftbewegung. Vom Versprechen, die maroden belgischen AKW Tihange und Doel nicht mehr aus der Urananreicherungsanlage im nordrhein-westfälischen Gronau beliefern zu lassen, sei „kein Wort mehr zu hören“, kritisiert etwa Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg.
Positiv äußert sich dagegen die Unternehmerseite. Die „wirtschaftspolitische Grundstimmung im Land“ habe sich „deutlich verbessert“, findet Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Unternehmer NRW – und fordert eine weitere „Entbürokratisierung“.
Laschet selbst versprach prompt, zu liefern. NRW sollen bundesweit das Land mit den schnellsten Genehmigungsverfahren werden, sagte er bei der Vorstellung seiner eigenen Bilanz. Negativ fällt dagegen das Urteil der Opposition aus: Nicht nur rund um die Brankohleförderung am Hambacher Wald „spalte“ der Regierungschef, „statt zu versöhnen“, so die grüne Landtagsfraktionschefin Monika Düker. Laschet mache „Politik für wenige, nicht für die vielen“, sagt auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty.
Das sehen offenbar auch immer mehr Wähler*innen so. Nach einer vom WDR in Auftrag gegebenen Umfrage von Anfang November sind nur noch 44 Prozent der Bürger*innen mit der Arbeit seines Kabinetts zufrieden. Zwar zeigt sich seine CDU mit 32 Prozent relativ stabil – doch die FDP verliert ein Drittel ihrer Unterstützer*innen und käme bei Wahlen nur noch auf 8 Prozent. Eine Mehrheit hätte Laschet damit nicht mehr.
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