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Schwarz-Grün in HessenOpposition boykottiert Ausschuss

SPD und Linke in Wiesbaden fordern eine Ablösung des CDU-Rechtsaußen Hans-Jürgen Irmer. Der bezeichnet den Boykott als „Klamauk“.

Angekommen: Flüchtlinge aus Eritrea und Äthiopien auf dem Airport in Kassel Foto: dpa

WIESBADEN taz | Mit Sekt und Selters feierte die schwarz-grüne Regierungskoalition in Hessen vergangene Woche den zweiten Jahrestag ihres Bestehens. Neben „hessischem Hackes mit grüner Soße“ und „Rotkohl-Maronen-Quiches“ gab es Elogen auf das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenland, vorgetragen von Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, und Grünenfraktionschef Mathias Wagner.

Einer fehlte bei der Wohlfühlparty: Hans-Jürgen Irmer, Rechtsaußen der CDU-Fraktion. Vor Jahresfrist musste er auf Druck des grünen Koalitionspartners seine Ämter als Fraktionsvize und bildungspolitischer Sprecher der CDU niederlegen.

Nach neuen Entgleisungen verlangt jetzt die Opposition auch Irmers Ablösung vom Vorsitz des Landtagsunterausschusses für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung. Untragbar sei Irmer als Repräsentant des Parlaments, weil er mit rechten Sprüchen wiederholt auf Kosten von Homosexuellen und Migranten Stimmung mache, begründete SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel die Boykottdrohung. Ab sofort würden die vier SPD-Ausschussmitglieder den Sitzungen fernbleiben, so Schäfer-Gümbel.

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, der Linke Willi van Ooyen, begründete seinen eigenen Rückzug vom Ausschuss mit Irmers „rassistischen und homophoben Ausfällen“, die von Pegida und AfD-Parolen nicht zu unterscheiden seien.

Schwarz-Grün unter sich

Hans-Jürgen Irmer versteht die Aufregung nicht. Freundlich empfängt er in seinem Landtagsbüro. Das schwarz-grüne Regierungsbündnis lobt er. Niemand habe seine Amtsführung im Ausschuss kritisiert, stellt er fest. Deshalb sei der Boykott der Opposition „nichts als Klamauk“. Ihm gehe es stets um Meinungsfreiheit und eine sachliche vorurteilsfreie Diskussion.

Zuletzt sagte er der Jungen Freiheit, wer das Asylrecht, die Menschenrechte und die freiheitlich demokratische Grundordnung missachte, müsse „innerhalb von 48 Stunden nach erkennungsdienstlicher Behandlung abgeschoben“ werden. Den ankommenden Flüchtlingen wollte er mit einem befristeten „sofortigen Aufnahmestopp“ begegnen. In seinem Wetzlarer Kurier warnte er vor der „gefühlten Landnahme“ Deutschlands durch den Islam, der „auf die Eroberung der Weltherrschaft fixiert“ sei.

Koalitionsintern auf Distanz

Der grüne Koalitionspartner hat sich längst von Irmer distanziert. „Wir halten es ausdrücklich für falsch, dass man den Islam und Islamismus gleichsetzt. Das ist genau das falsche Signal“, kritisierte Grünenfraktionschef Mathias Wagner den CDU-Kollegen nach den Terroranschlägen von Paris. Auch die CDU ging inhaltlich auf Distanz zu Irmer. Der ehemals grünen Landtagsabgeordneten Mürvet Öztürk geht das nicht weit genug.

Öztürk, die mit ihrer Familie als Kind aus Kurdistan fliehen musste, erwartet, dass die Grünen Irmer vom Ausschussvorsitz ablösen. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Landtag, Angela Dorn, verweist indes auf die Geschäftsordnung des Landtags, die eine Abwahl von Ausschussvorsitzenden nicht vorsehe.

Bei der Ausschusssitzung in der kommenden Woche kommt es also zu einem Novum in Hessen. Schwarze und Grüne werden fast unter sich sein, nur der Liberale Wolfgang Greilich wird die Landtagsopposition vertreten. Wie es aussieht, wird das Alltag bleiben bis zur Bundestagswahl 2017. Hans Jürgen Irmer will nämlich für den nächsten Bundestag kandidieren – mit guten Aussichten.

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