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Schutz vor PartnerschaftsgewaltFußfessel soll Frauen schützen

Schleswig-Holstein will den Einsatz von GPS-Trackern gesetzlich verankern. Vorbild ist ein Modell aus Spanien.

Opfer häuslicher Gewalt brauchen mehr Schutz: hier eine Demo nach einem Femizid in Hannover Foto: Moritz Frankenberg /dpa

Rendsburg taz | Im Jahr 2023 wurden in Schleswig-Holstein 14 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet: „14 zu viel“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Donnerstag im Landtag. Sie setzt sich für die elektronische Fußfessel nach dem „spanischen Modell“ ein.

Das Ziel ist es, potenzielle Täter von den Opfern fernzuhalten, ohne den Frauen ihre Bewegungsfreiheit zu nehmen. Im Landtag gab es fraktionsübergreifend Beifall für die Idee, allerdings gab es auch Fragen zur Umsetzung.

Beim spanischen Modell trägt nicht nur der potenzielle Täter ein Gerät mit GPS-Tracker bei sich, sondern auch die bedrohte Person – die das Gerät aber abnehmen kann, der Täter nicht. Nähern sich die Signale der beiden GPS-Tracker auf 500 Meter an, schlägt das System Alarm, die Polizei kann reagieren.

In Spanien wurde das Verfahren 2009 eingeführt, seither sank die Zahl getöteter Frauen insgesamt. Vor allem gab es seither keinen Mord an einer Frau, die an dem Projekt teilnahm, berichtet die Opferschutzorganisation Weißer Ring.

Lücke im System

Bei häuslicher Gewalt bieten die Gesetze in Deutschland schon jetzt einige Möglichkeiten, die Opfer – in den allermeisten Fällen sind es Frauen – zu schützen: So können Täter beispielsweise aus dem Haus gewiesen, bestimmte Regionen mit Betretungsverboten belegt werden. Doch es bleibe eine Lücke, sagte die SPD-Abgeordnete Sophia Schiebe. „Der Schutz vor Gewalt und Nachstellungen endet dort, wo Annäherungs- oder Kontaktverbote nicht durchgesetzt werden können.“

Der Weiße Ring dokumentiert regelmäßig Fälle, in denen Männer die Auflagen ignorieren und ihre Ex-Partnerinnen schwer verletzten oder töteten. „Verbote schützen niemanden, wenn sie nicht kontrolliert werden“, schrieb Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender des Weißen Rings, in einem offenen Brief an Po­li­ti­ke­r:in­nen bereits im Februar 2022. Der Staat zeige sich buchstäblich hilflos – ohne Möglichkeit, den bedrohten Frauen zu helfen. Auch der Weiße Ring spricht sich daher für die Fußfessel nach spanischem Modell aus.

In Deutschland diskutieren mehrere Länder, ob sie das Verfahren einführen wollen. Hessen hatte im September eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet und führte bereits eine Fußfessel ein, mit der das spanische Modell rasch umsetzbar wäre. Das berichtete Landesjustizminister Christian Heinz (CDU). Auch auf Bundesebene gebe es eine Arbeitsgruppe zum Thema, erklärte bei der Debatte im Kieler Landtag der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz.

Er hielt die Fußfessel für das „richtige Mittel“, um Gewaltopfer besser zu schützen. Bisher erlaubt das Landesrecht sie nur bei Personen, die unter Terrorverdacht stehen. Eine Ausweitung auf andere Gruppen sei möglich, so Buchholz – hatte aber gleichzeitig Bedenken bei der aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs.

Daten von Kindern werden weitergeleitet

Unter anderem sei es unverhältnismäßig, dass die Voraussetzungen für Kontaktverbot und Fußfessel identisch seien: „Das Bundesgewaltschutzgesetz sagt, erst wenn das Kontaktverbot übertreten worden ist, kann man eine elektronische Aufenthaltsüberwachung anordnen.“

Eine andere Anmerkung kam von der SPD-Abgeordneten Sophia Schiebe in ihrer Funktion als Vorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein. Sie begrüßte, dass laut dem Gesetzentwurf die Daten von Kindern aus Familien mit häuslicher Gewalt an Fachberatungsstellen weitergeleitet werden.

„Es ist unverzichtbar, bei jedem Fall von häuslicher Gewalt im Blick zu behalten, ob Kinder betroffen sind“, so Schiebe. Allerdings sei der Kinderschutzbund „hoch irritiert“, dass „praktisch zeitgleich zur ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs Mittel für Hilfen für Kinder bei häuslicher Gewalt wegzufallen drohen“.

Immerhin sei Geld für die Anschaffung der Fußfesseln und der nötigen Überwachung vorhanden, sagte Ministerin Sütterlin-Waack: „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten die praktische Umsetzung vorbereitet und die Finanzierung bereits über die Nachschiebeliste gesichert.“

In Schleswig-Holstein werden die Ausschüsse über den Gesetzentwurf beraten, auch im Bundesrat kommt der Antrag aus Hessen noch vor der Weihnachtspause auf den Tisch.

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