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Schutz vor DiskriminierungDas AGG muss reformiert werden

Gastkommentar von Vera Egenberger

Wer Diskriminierung erfahren hat, kommt nur schwer zu seinem Recht – und manche gar nicht. Wie das Antidiskriminierungsgesetz verbessert werden kann.

AGG: Wer etwa als Kopftuch tragende Frau diskriminiert wird, soll klagen können Foto: Alexander Pohl/imago

W er wegen seines Alters mehr für die Reiseversicherung bezahlen soll, eine Wohnung nicht bekommt, weil die Herkunft nicht akzeptiert wird oder als junge, Kopftuch tragende Frau für die Ausbildungsstelle nicht ausgewählt wird, wird im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) diskriminiert und kann das Recht in Anspruch nehmen. So weit, so schön. Wer jetzt aber seine Rechte einklagen will, hat schlechte Karten: Die Klagefrist ist so kurz, dass man kaum Zeit hat, sich ausreichend beraten zu lassen, die Kosten für die Klage sind unwägbar und ob die Entschädigung dann die Kosten für die Klage deckt, ist ungewiss.

Das muss sich ändern, finden mehr als 100 zivilgesellschaftliche Verbände, die sich in Deutschland gegen Diskriminierung einsetzen. Die Bundesregierung hat angekündigt, das AGG zu reformieren, ein konkreter Entwurf aus dem Bundesjustizministerium steht noch aus. NGOs haben jedoch schon umfassende Ergänzungen vorgeschlagen und veröffentlicht, zuletzt in einer gemeinsamen Stellungnahme, die die Stärkung des AGG einfordert. So sollen kollektive Klagerechte ermöglicht werden, um Diskriminierung eben auch über Verbände und nicht nur über die direkt Betroffenen vor Gericht bringen zu können. Es muss endlich auch staatliches Handeln in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen werden, denn Diskriminierung in Verwaltung oder Polizei kann auf Bundesebene bislang nicht geahndet werden.

Vera Egenberger

ist Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) und hat sich aktiv in die Vorschläge zur AGG-Reform eingebracht.

Außerdem ist die Liste der Diskriminierungskategorien auf ethnische Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Religion, Alter und sexuelle Orientierung begrenzt. Weitere Gründe wie beispielsweise die soziale Herkunft, Staatsangehörigkeit und Körpergewicht sollen ergänzt werden. Gerade im besonders diskriminierungsanfälligen Bereich der Beschäftigung sollen Arbeitgebenden klarere Anforderungen vorgegeben werden, wie sie präventiv wirken und auf Vorfälle reagieren sollen.

Die AGG-Reform ist überfällig, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sollte sie möglichst bald auf den Weg gebracht werden.

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1 Kommentar

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  • Ein Thema was gar nicht berücksichtigt wird und hohe soziale Sprengkraft besitzt, ist die Mütterdiskriminierung und die noch extremere systemische Diskriminierung von Alleinerziehenden Müttern z.B. auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt, und dadurch auch deren Kindern.

    Alleinerziehende Mütter werden zudem im Steuerwesen (s. Ehegattensplitting) staatlich schlechter gestellt, die Steuerklasse 2 ist ein Witz, hier wird im Wesentlichen nur der Zeitpunkt des Steuerabzugs der Steuerklasse 1 geregelt.

    Dies ist wissenschaftlich erforscht und klar belegt, die Politik wurde von obersten Gerichten bereits vor über 10 Jahren angewiesen diese Benachteiligung zu quantifizieren und zu beseitigen, aber seit Jahrzehnten wird dies sogar von der Politik (Ära Merkel) untechtmäßig einfach wegignoriert. Dies ist ein Rechtsverstoß.

    Hierunter sind v.a aber auch die Kinder, die in Alleinerziehendenhaushalten aufwachsen, benachteiligt und sozial schlechter gestellt als Kinder aus Ehen.

    Hier findet die Diskriminierung sogar von politischer Seite statt.

    Wahrscheinlich wird dies solange Ausgesessen, bis die Kinder der Babyboomer erwachsen sind, damit die Kosten dafür nicht mehr so hoch ausfallen.



    Mit dem Rentenproblem, weil sie keine ausreichende Rente erwirtschaften konnten, können sich diese Frauen, aber auch deren Kinder, dann selber herumschlagen, weil diese Kinder dann später auch noch für die Pflegekosten der Mütter aufkommen müssen, wenn die Rente nicht reicht.

    Eine himmelhochschreiende systemische Diskriminierung.