piwik no script img

Schutz von indigenen VölkernZahnloses Abkommen?

Deutschland ist der ILO-Konvention zum Schutz der Rechte indigener Völker beigetreten. Ob sich für die Betroffenen dadurch etwas ändert, ist unklar.

Demo-Teilnehmer in Madrid 2019: Was bringt die Konvention in Ländern ohne indigene Bevölkerung? Foto: Rafael Marchante/reuters

Berlin taz | Am Donnerstag ist in Deutschland die Konvention zum Schutz der Rechte indigener Völker der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Kraft getreten. Die Bundesrepublik ist damit das 24. Land weltweit, in der das Abkommen – das bereits 1989 verabschiedet wurde – gilt.

Deutschland verpflichtet sich damit unter anderem dazu, sicherzustellen, dass indigene Gemeinschaften in Bauprojekte einbezogen werden, die ihre Gebiete betreffen. Dafür soll es Konsultations- und Beteiligungsverfahren geben.

Die Konventionen der ILO, in der Regierungen sowie Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammenarbeiten, legen grundlegende Rechte und Prinzipien bei der Arbeit fest. Wenn ein Land eine Konvention ratifiziert, muss es sie in nationales Recht umsetzen und regelmäßig berichten, wie es sie angewendet hat.

Obwohl hierzulande keine indigenen Gemeinschaften leben, die die Kriterien des Abkommens erfüllen, sei die Bundesrepublik auch für den Schutz indigener Rechte verantwortlich, betont Deborah Düring, Sprecherin für Entwicklungspolitik der Fraktion der Grünen im Bundestag: „Das Handeln deutscher Unternehmen, aber auch mit deutschen Geldern finanzierte In­fra­struk­tur­pro­jekte und weitere Investitionen haben direkten Einfluss für Menschen im Globalen Süden, besonders für indigene Gemeinschaften.“

Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden

Als Industrienation ist die Bundesrepublik in Menschenrechtsverletzungen an indigenen Gruppen verstrickt. Jüngstes Beispiel ist die Einfuhr kolumbianischer Steinkohle, die überwiegend auf von Indigenen bewohnten Gebieten abgebaut wird. Die nach Deutschland importierte Menge hat sich seit März verdreifacht – wegen des Embargos gegen Russland. Angesichts dessen fürchten Indigene vor Ort die weitere Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und steigende gesundheitliche Belastungen.

Ob sich durch die Ratifizierung Deutschlands nun aber tatsächlich etwas ändert, ist offen. „Für den Schutz indigener Völker bleibt der jeweilige Staat zuständig, in dem das betroffene Volk lebt“, erklärte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Auch Gesetze, die private Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen, sind laut Ministerium nicht geplant – und sie seien auch nicht notwendig. Deutschland habe sich mit dem vor zwei Jahren – mit zahlreichen Ausnahmen – beschlossene Lieferketten-Gesetz ausreichend engagiert.

Gefahr, dass es bei symbolischen Gesten bleibt

Der Koordinationskreis ILO-169, ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, das seit Jahren für das Abkommen geworben hatte, sieht deshalb die Gefahr, dass die Ratifizierung des Abkommens eine symbolische Geste bleibt: „Dem Beitritt müssen nun auch konkrete Taten folgen“, erklärte der Koordinationskreis. Die Bundesregierung solle eine ressortübergreifende Strategie zum Schutz von Indigenen entwickeln und auch umsetzen.

Möglichkeiten, im Sinne des Abkommens zu handeln, gäbe es nach Einschätzung des Bündnisses einige. Eine davon wäre der Rückzug deutscher Staatsunternehmen aus Projekten, in denen die Rechte indigener Völker verletzt werden.

Beteiligung der Deutschen Bahn an umstrittenem Projekt

Unter anderem ist die Deutsche Bahn in Mexiko am Bau des Megaprojekts „Tren Maya“ beteiligt. Es soll den vor allem von indigenen Gemeinschaften bewohnten Süden des Landes erschließen – und nicht nur Massentourismus ermöglichen: Entlang der Strecke sind auch In­dus­trie­parks geplant. Geg­ne­r:in­nen des Vorhabens fürchten Vertreibung und Zerstörung ihrer traditionellen Lebensgrundlagen.

„Die Rechte der Indigenen wurden ganz eindeutig nicht beachtet“, beklagt Viktor, Aktivist bei der Arbeitsgemeinschaft Recherche, die von Deutschland aus den Widerstand gegen das Projekt unterstützt. Die von der mexikanischen Regierung durchgeführten Konsultationen mit den betroffenen Gemeinschaften hätten nicht die Anforderungen der ILO-Konvention erfüllt. Ein Rückzug der Deutschen Bahn aus dem Projekt „wäre eine große Anerkennung für den Widerstand vor Ort“, hofft Viktor.

Wegen der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeiten für deutsche Unternehmen, die im Ausland operieren, bleibt es also eine Frage des politischen Willens, ob das Abkommen Wirkung entfaltet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Obwohl hierzulande keine indigenen Gemeinschaften leben, die die Kriterien des Abkommens erfüllen..."



    Tja, schade.



    Wäre eine gute Gelegenheit gewesen, diese Kriterien zumindest umrisshaft darzustellen.