Schutz von Geschäftsgeheimnissen: Haben Whistleblower ausgepfiffen?
Wieviel Schutz brauchen Firmen, um vor Spionage sicher zu sein? Mehr, findet das Europaparlament. Wo bleiben Transparenz und Kontrolle?
taz | Es ist eine Medizin mit Risiken und Nebenwirkungen. Das wissen auch die Europaabgeordneten – schließlich wurden sie von Journalisten, Rechtsanwälten und 800.000 Bürgern per Petition gewarnt. Dennoch beschloss das EU-Parlament am Donnerstag mit großer Mehrheit eine umstrittene Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Das neue EU-Gesetz soll unfaire Wettbewerbspraktiken zwischen Unternehmen sowie Firmenspionage etwa aus China oder Russland bekämpfen. Das Gesetz sei nötig, um europäische Firmen und ihr Know-how im internationalen Wettbewerb zu schützen, sagte die Berichterstatterin des Parlaments, die französische Konservative Constance Le Grip.
Vorausgegangen war eine jahrelange Lobbykampagne, an der sich Konzerne wie Michelin, Alstom oder General Electric beteiligt hatten. Schon seit 2010 fordern sie besseren Schutz vor „Diebstahl geistigen Eigentums“ oder Spionage. Doch dass die Richtlinie ausgerechnet jetzt kommt – zehn Tage nach den Enthüllungen der Panama-Papiere – hat einen schalen Beigeschmack.
Mit den neuen Regeln hätten Whistleblower und investigative Journalisten keine Chance mehr, unlautere Praktiken aufzudecken, fürchten Experten. Die Veröffentlichung der Panama Papers könnte ebenso rechtswidrig werden wie die Enthüllung der LuxLeaks über den Steuerskandal in Luxemburg. Falsch, entgegnet Le Grip. Die Richtlinie sei „notwendig, um unsere Innovationen und unsere Forschungsarbeit zu schützen“. Sie nehme Journalisten und „Whistleblower“ ausdrücklich aus.
Dieser Ansicht widerspricht ausgerechnet der „Whistleblower“, der die LuxLeaks aufgedeckt hat. Sein Fall sei von der neuen Richtlinie eben nicht geschützt, beklagt sich Antoine Deltour, der sich wegen seiner Enthüllungen derzeit vor einem Luxemburger Gericht verantworten muss.
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