Schulsenatorin in der Kritik: Es gibt Besseres zu tun
Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) wird heftig attackiert. Manches ist substanzlos, anderes könnte gefährlich werden. Ein Wochenkommentar.
M ilitärische Metaphern sind eigentlich niemals schön, schon gar nicht in Kriegszeiten wie diesen. Aber wenn man diese Woche mit Blick auf die Berliner Bildungspolitik mal Revue passieren lässt, dann ist man schon versucht zu sagen: Das waren echt heftige Angriffe, derer sich Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) erwehren musste. Manche davon wurden sehr laut vorgetragen, waren aber eigentlich substanzlos. Andere blieben eher ein Störfeuer im Hintergrund – könnten der Senatorin aber durchaus noch gefährlich werden.
Zunächst also die prominenteste Attacke diese Woche: Die oppositionelle CDU hatte dem Parlament am Donnerstag einen Missbilligungsantrag von Busses Amtsführung angetragen. Der Antrag wurde, erwartungsgemäß, abgelehnt. Denn natürlich kann die rot-grün-rote Koalition nach gerade mal einem halben Jahr in die neue Legislatur hinein kein Interesse daran haben, eine Senatorin zu verlieren und unnötig Unruhe im Bündnis zu stiften – dass Busses Performance auch innerhalb der Koalition nicht unbedingt alle überzeugt, spielt dafür keine Rolle.
Dass dieser Missbilligungsantrag lediglich ein reiner Showprozess war, wusste sogar die ebenfalls oppositionelle FDP: Die CDU gehe einen Schritt zu weit, und das auch noch zu früh, sagte ihr bildungspolitischer Sprecher Paul Fresdorf.
Da muss sich also eher die CDU die Frage gefallen lassen: Was sollte das? Schon klar, dass man in der Politik ein dickes Fell haben muss. Und es ist natürlich auch die Rolle der Opposition, Korrektiv zu sein für das Handeln der Regierung. Und doch: Wer jemand anderem, in dem Fall der Schulsenatorin, Verantwortungslosigkeit vorwirft, ihr Engagement und eine Vision abspricht, sollte besser wissen, ob es einem höheren Ziel dient, diese Person fertig zu machen – zum Beispiel, weil man Schaden vom Amt abwenden will.
Harte Worte
Ansonsten sind das einfach harte Worte, die sowohl persönlich verletzen wie sie auch in der öffentlichene Wahrnehmung verhallen. Und die CDU-Abgeordneten hätten die Zeit vielleicht besser nutzen können, um ein paar kluge Anfragen an die Bildungsverwaltung zu stellen.
Denn Fragen kann man ja durchaus zuhauf haben an die Bildungssenatorin Busse: Wie will sie zum Beispiel die Bauprozesse bei den Schulneubauten endlich beschleunigen, wo will sie priorisieren – gerade auch unter dem Eindruck der Inflation bei den Baukosten und der Schulplatznot, die immer mehr auch die weiterführenden Schulen betrifft? Dieses Jahr konnte erstmals auf den Schulbescheiden, die zu Wochenbeginn in den Briefkästen der künftigen Siebtklässler*innen lagen, nicht mehr allen Kindern eine Schule zugewiesen werden. Sie bekamen einen Blanko-Bescheid und wissen noch nicht, wohin es nach den Sommerferien geht.
Man kann sich auch fragen, wie der Lehrkräftemangel eigentlich in den kommenden Schuljahren gemanagt werden soll, denn die zum Sommer fehlenden 1.000 Pädagog*innen werden nicht das Ende der Entwicklung sein: Die Schüler*innenzahlen werden noch steigen, die Unis werden nicht so schnell so viel mehr ausbilden, und die Verbeamtung wird angesichts des bundesweiten Fachkräftemangels kein Befreiuungsschlag sein.
Vielleicht doch Sport- und Kunstunterricht an Vereine und Kunstschulen auslagern, wie es die Grünen vorschlagen? Warum nicht – Sport ist zwar wichtig, aber ob jemand die demütigende Erfahrung machen muss, im Geräteturnen ein „mangelhaft“ zu bekommen, sei ohnehin mal dahingestellt. Vielleicht könnte man da Schule auch mal „anders denken“, wie es so schön heißt.
Bleibendes Fragezeichen
Und noch ein Fragezeichen, das bleibt: Die Diskussion um Diskriminierungsvorwürfe gegen die Senatorin will einfach nicht so recht verstummen. Diese Woche twitterte ein GEW-Personalrat, es würden sich immer noch Eltern und Lehrkräfte aus Busses alter Schule mit Beschwerden an ihn wenden.
Busse hat vor ihrem Amtsantritt viele Jahre lang eine Brennpunkt-Grundschule in Neukölln geleitet – und sich öffentlich durchaus abwertend über arabische Familien geäußert („Wir sind arabisiert.“). Sie hat sich von ihren Formulierungen distanziert. Und doch bleibt da ein schales Gefühl, wenn sich der AfD-Abgeordnete am Donnerstag im Parlament darüber freut, dass die Diskriminierungsvorwürfe ausdrücklich nicht Bestandteil des Missbilligungsantrag der CDU seien. So könne die AfD ruhigen Gewissens zustimmen. Da hat die Senatorin durchaus gefährliche Fürsprecher gefunden.
Einen ganzen Arbeitstag lang hat Busse im Parlament verbracht. Dabei hat sie eigentlich Dringenderes zu tun. Bleibt zu hoffen, alle Beteiligten, einschließlich der CDU, können sich nun auch darauf konzentrieren.
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