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Schulplatzmangel für GeflüchteteSich von Dogmen verabschieden

Kommentar von Susanne Memarnia

Der Mangel an Schulplätzen für Geflüchtete ist auch ein Resultat der Politik der Massenunterkünfte. Es wird Zeit für ein Umdenken der Politik.

Deutschlernen möglichst von Anfang an: aus dem Lernheft einer Willkommensklasse Foto: dpa

J etzt ist es amtlich: Die Raumnot in Berlin ist so groß, dass die Kinder von Geflüchteten oft Monate auf einen Schulplatz warten müssen. Darum werden jetzt in Tegel, der größten Notunterkunft für Ukrainer*innen, Container aufgebaut, in denen eine Art von Willkommensklassen stattfinden wird, auch andere Heime bieten Deutschlernen an. Dass es so gekommen ist, ist schlecht: Je länger geflüchtete Kinder von Berliner Kindern getrennt leben und lernen müssen, desto länger brauchen sie, um sich in ihr Leben hier einzufinden. Dass der Senat das Problem nun endlich zugibt, ist gut.

Seit Beginn des Ukrainekrieges warnen Initiativen vor genau diesen Problemen und fordern neue Konzepte vom Senat: Wohin mit den Menschen, wo sollen sie wohnen, arbeiten, zur Schule gehen? Doch Politik und Verwaltung fahren unverdrossen ihren gewohnten Kurs: Sozialverwaltung und Landesflüchtlingsamt setzen weiterhin auf große Massenunterkünfte – obwohl das immer schon das Problem nach sich zog, dass man dann in deren Umgebung viele Schul- und Kitaplätze benötigt. Initiativen und Vorschläge für kleine Heime, die gut in die Nachbarschaft inte­grierbar wären und die es nach Kriegsbeginn zuhauf gab, wurden dagegen ignoriert.

Und zu lange ignorierte auch die Bildungsverwaltung die Warnungen, dass Kinder, die monatelang ohne Schule bleiben, wertvolle Zeit verlieren – ebenso wie Vorschläge, wie man diese Zwischenzeit sinnvoll nutzen könnte.

So hat etwa die Initiative „Schöneberg hilft“ schon im Winter vorgeschlagen, eine Art Pop-up-Schulen direkt in den großen Notunterkünften einzurichten. Die Antwort der Politik damals: Schweigen. Nun kommt es doch so, erst einmal zumindest in Tegel.

Weniger kann mehr

Doch Wegners Aussage, man müsse sich eben vom Wunschdenken verabschieden, trifft es nur halb. Die Frage von Wohnraum und Schulplätzen für Geflüchtete ist ja vor allem eine Frage der Verteilung. Man muss bedenken: Die meisten Ukrai­ne­r*in­nen leben ja gar nicht in Heimen, sondern sind privat untergekommen – ihre Kinder gehen fast immer sehr schnell auf eine Schule. Ein Kind oder drei kann man eben als Schule noch irgendwo „reinquetschen“, das ist etwas anderes, als wenn eine Unterkunft für 300 Menschen Schulplätze für 100 Kinder in der Umgebung sucht.

Ergo: Nicht alle Schulen sind voll im Sinne von völlig überfüllt, nicht überall gibt es gleichermaßen viele Geflüchtete. Der Mangel an Schulplätzen ist eben auch eine Folge der Politik der Massenunterkünfte. Vor allem von diesem Dogma müsste sich die Politik endlich mal verabschieden.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.
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