Schulöffnung in Österreich: Ein Zufluchtsort fehlt
In der Coronakrise bleiben in Österreich die Schulen noch weiter geschlossen. Für sozial benachteiligte Kinder ist das besonders schwer.
D iese Woche beginnt in Nordrhein-Westfalen die Schule. Vorerst aber nur für Abschlussschüler aus den Klassen 10, 12 und 13. In Österreich dagegen gibt es noch keinen Plan, wie es mit den Schulen weitergehen soll. Während kleine Geschäfte und Baumärkte schon geöffnet haben und man weiß, dass ab 1. Mai Golf- und Tennisplätze sowie Reitställe aufsperren, tappt man bei den Schulöffnungen weiterhin im Dunkeln.
Hohn für jene, die es sich nicht leisten können, ihre Kinder sich am Tennisplatz austoben zu lassen. Natürlich hinkt der Vergleich, ist die Ansteckungsgefahr dort doch viel geringer als in Schulen. Trotzdem wirft es ein schlechtes Licht auf das Vorgehen, wenn man einen Plan für die Sportarten der Bourgeoisie präsentiert, aber die Alleinerziehende noch immer nicht weiß, wie es mit der Betreuung ihrer Kinder weitergehen soll, und die Frustration bei Familien aus unteren sozialen Schichten wächst, weil sie neben Existenzängsten auch nicht wissen, wie sie ihren Kindern beim Lernen helfen sollen.
Während die Schulöffnungen in Teilen Deutschlands aber mehrheitlich kritisiert werden, vom Lehrerverband, Gesundheitsexpertinnen und in breiten Teilen der Bevölkerung, werden die Stimmen, die die Öffnung der Schulen fordern, in Österreich immer lauter. Ich beneide Politikerinnen und Politiker gerade wirklich nicht um ihre Verantwortung.
Als ehemalige Lehrerin weiß ich ganz genau, dass die Schulschließungen in Österreich Kinder aus sozioökonomisch schwächeren Familien meilenweit zurückwerfen werden. Die soziale Schere geht weiter auseinander und wir schauen vom Homeoffice aus dabei zu.
Schule als Zufluchtsort
Die, die daheim keine Computer, keine gute Internetverbindung, keinen Schreibtisch und keine Eltern haben, die ihnen beim Homeschooling helfen, bleiben auf der Strecke. 6,8 Prozent der 6- bis 14-Jährigen sind in Österreich während der Schulschließungen schon „verloren“ gegangen, werden von ihren Lehrpersonen nicht mehr erreicht. Gleichzeitig verfallen Familien wieder in das traditionelle Rollenmodell, indem sich nun die Frauen daheim vermehrt um die Kinder kümmern.
Andererseits gehen Schulöffnungen mit einem gesundheitlichen Risiko einher: Man wird es weder räumlich noch zwischenmenschlich schaffen können, dass sich alle Kinder und Jugendlichen an die Sicherheitsmaßnahmen halten. Was bedeutet das für jene Schülerinnen und Schüler, die mit Personen aus der Risikogruppe zusammenwohnen oder selbst zur Risikogruppe gehören?
Jeder noch so ausgeklügelte Plan zur etappenweisen Öffnung kann dieses Risiko niemals ganz minimieren. Aber da wäre auch das Risiko, das die Kinder und Jugendlichen sonst von selbst eingehen werden, weil sie es nicht mehr daheim aushalten. Häusliche Gewalt, Existenzängste der Eltern, für viele Kinder ist die Schule ein Zufluchtsort – den sie gerade in Krisenzeiten dringend bräuchten.
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