Schulessen in Hamburg und Bremen: Hamburg setzt auf billig statt Bio

Die Bioquote beim Hamburger Schulessen liegt bei nur zehn Prozent. Die Stadt erklärt das mit Bezahlbarkeit. Doch Bremen zeigt, dass Bio günstig geht.

Kinder essen Kartoffelsalat und Fleisch, das auf einem Tablett vor ihnen steht

Hauptsache es kostet nicht viel: ob Bio oder nicht, spielt beim Hamburger Schulessen keine große Rolle Foto: Franziska Kaufmann/ dpa

HAMBURG taz | Projekttag Klimagerechtigkeit oder Ernährung? Das ist fast schon Standard an Hamburgs Schulen. Aber wenn es um die praktische Umsetzung geht, sieht es ganz anders aus: Die Mindestbioquote beim Hamburger Schulessen liegt mit zehn Prozent deutlich unter der Quote anderer Stadtstaaten – und geht es nach dem Willen der Schulbehörde, wird sich daran auch nichts ändern. In Berlin liegt der Bioanteil bei 50 Prozent, Bremen hat sich für das Essen in Kitas und Schulen das stolze Ziel von 100 Prozent gesetzt und erfüllt aktuell zwischen 40 und 60 Prozent.

Die Hamburger Elternkammer kritisiert die bescheidenen Vorgaben der Stadt. Elternkammervorsitzende Alexandra Fragopoulos schreibt auf Anfrage der taz, dass eine Erhöhung der Bioquote „nicht nur notwendig, sondern längst überfällig“ sei. Sie fordert „mindestens 60 Prozent“ und perspektivisch 100 Prozent Bioanteil beim Schulessen. So lernten die Kinder bereits von klein auf, „wie wichtig gute Ernährung ist und wie eine gute Ernährung aussieht“.

Damit wiederholt Fragopoulos das, was auch Er­näh­rungs­wis­sen­schaft­le­r:in­nen schon seit Jahren fordern: dass Schulkantinen als Lernorte verstanden werden, als Chance, Nachhaltigkeit bei jedem Mittagessen neu ganz praktisch zu verstehen.

Gerade Hamburg hätte gute Gründe, das umzusetzen: Die Stadt ist bereits 2016 dem Bio-Städte-Netzwerk beigetreten, das sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat, bei der Ernährung von Kindern und Jugendlichen auf Bio-Lebensmittel zu setzen und die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Umland zu stärken. Die Bürgerschaft verabschiedete schon 2019 einen Antrag, wonach der Senat prüfen soll, inwieweit der Bioanteil beim Schulessen ausgedehnt werden könne. Passiert ist seither wenig.

Der Grund für Hamburgs Zurückhaltung: Das Essen solle „bezahlbar“ bleiben, schreibt die Sprecherin der Schulbehörde, Luisa Wellhausen, auf Anfrage der taz. Derzeit übernimmt bei etwa einem Drittel der Hamburger Schü­le­r:in­nen Stadt oder Bund die Kosten, bei einem weiteren Drittel gibt es Zuschüsse. Ein Drittel zahlt den vollen Preis von 4,15 Euro. Insgesamt bringt die Stadt jährlich 44 Millionen Euro fürs Schulessen auf.

Fleischkonsum muss runter

Doch das Kostenargument überzeugt nicht alle. Schaut man über die Stadtgrenzen hinaus, finden sich durchaus Beispiele, wo hohe Bioquoten mit geringen oder gar keinen Kosten für die Eltern verbunden sind. In Berlin, wo die Caterer seit 2021 pro Mahlzeit 4,36 Euro bekommen, übernimmt die Stadt die gesamten Kosten für Schulkinder von der ersten bis zur sechsten Klasse. In Hamburg tobt dagegen gerade der Streit über die Forderung der Caterer, angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise 4,65 Euro pro Mahlzeit zu erhalten. Bio oder nicht, spielt bislang keine Rolle.

In Bremen ist man sich sicher, dass die Umstellung bezahlbar ist – freilich nicht, ohne etwas an Gewohnheiten zu ändern. „Wenn man alle Stellschrauben dreht, ändert sich nicht so viel am Preis“, meint Jens Tittmann, Sprecher der zuständigen Umwelt- und Landwirtschaftssenatorin. Der wichtigste Ansatzpunkt: die drastische Reduzierung der Fleischmengen.

Bei Fleisch fällt der Preisunterschied zwischen konventioneller und Biohaltung besonders groß aus. Nur noch einmal die Woche soll es für Kinder in Bremens Schulen und Kitas Fleisch geben. Praktischerweise entspricht das ohnehin der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Wie hoch der Anteil an Fleisch aktuell ist, ist schwer zu erfassen: 90 Kitas arbeiten mit eigenen Küchen; auch einige Schulen kochen selbst oder können sich jeweils für eigene Caterer entscheiden.

Ein geringer Fleischanteil ist die wichtigste Maßnahme für stabile Preise, Stellschrauben gibt es aber noch mehr: Auch saisonales und regionales Essen sollen sowohl die Umwelt als auch das Küchenbudget schonen. „Bezahlbar“ heißt dabei nicht „kostenneutral“, darauf weisen vor allem die Bremer Catererfirmen hin. Laut Mücella Demir von dem für die Umsetzung zuständigen Projekt „BioStadt Bremen“ geht es um etwa 10 bis 15 Prozent Mehrkosten bezogen auf den Wareneinsatz. Da die Waren am fertigen Preis etwa ein Drittel ausmachen, reduziert sich die Kostensteigerung am Endprodukt auf etwa drei bis fünf Prozent.

Kreativität hilft beim Sparen

Momentan kostet das Essen für Eltern von Kindern an Ganztagsgrundschulen im Land Bremen pauschal 35 Euro im Monat, für Geschwisterkinder etwas weniger. Alle Kosten darüber hinaus übernimmt die Stadt ohnehin. An weiterführenden Schulen ist das aber komplizierter: Hier variieren die Preise je nach Küche oder Caterer; der Durchschnitt liegt aktuell bei 3,94 Euro.

Wer sich das nicht leisten kann, kann unter Umständen Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz des Bundes erhalten. „Wir diskutieren gerade, ob man die Kostenübernahme irgendwie einheitlicher gestalten kann“, sagt Maike Wiedwald, Sprecherin der Bremer Bildungssenatorin.

Wie aber sieht es praktisch aus, das günstige Bioessen für Bremer Kinder an Kitas und Schulen? Einen Musterspeiseplan für die verschiedenen Jahreszeiten hat die Stadt nicht zur Hand – „das tötet die Kreativität in den Küchen“, begründet Demir von BioStadtBremen. Erfahrungswerte gibt es aber: Erste Einrichtungen haben die Umstellung schon als Projekt erprobt.

Empfohlen habe sich etwa, im Sommer große Mengen Erdbeeren einzufrieren, um im ganzen Jahr selber Erdbeerjoghurt machen zu können. „Ein Nachtisch, der besser schmeckt, gesünder ist und auch noch günstiger als das Convenience-Produkt“, so Demir. Auch beim verbliebenen Restanteil von Biofleisch könne man kreativ werden – und etwa die bei vielen Kon­su­men­t*in­nen ungeliebten Hähnchenflügel kaufen statt der teuren Hähnchenbrust.

Das alles erfordert allerdings gerade in der Anfangszeit viel Aufwand. Es braucht neue Essenspläne, neue Lieferant*innen, neue Absprachen. Eigentlich wollte man in Bremen die Umstellung bis 2022 geschafft haben. Das Ziel wurde jetzt auf 2024 verschoben: „Corona hat uns zwei Jahre gekostet“, sagt Demir. Neue Koch- und Kaufgewohnheiten müssen sich im Alltag einspielen und, nicht zu vergessen: Das Essen muss den Praxistest vor kritischen Kinderzungen bestehen. Als wegen der Schul- und Kitaschließungen selten gekocht wurde, fiel das weg.

Um jetzt trotzdem schnell weiterzukommen, hat die Stadt ein Fortbildungsprogramm gestartet. Über die Volkshochschule werden vom „Forum für Küche im Wandel“ seit Juli Weiterbildungen angeboten. Die Online-Kurse richten sich besonders an Küchen- und Kantinenpersonal, sind aber auch für alle Privatpersonen, die teilnehmen wollen, kostenfrei.

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