Schule und EU-Wahlen: Männer erklären der Jugend Europa
Im Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Berlin-Pankow stellen sich lokale Kandidaten den Schüler*innen-Fragen. Das Podium kommt ohne Frauen aus.
Gekommen sind Arturo Winters (SPD), Timo Bergemann von den Jungen Liberalen, der Grüne Janik Feuerhahn, Niklas Schrader von der Linken und Dr. Michael Adam von der AfD. Hildegard Bentele (CDU) hat keine Zeit.
Vorher haben die Schüler*innen viel über die Beteiligung der AfD geredet. Auf einem Flugblatt stand: „Wer die AfD zu einer Podiumsdiskussion einlädt, nimmt sie nicht nur als normale demokratisch legitimierte Partei ernst, sondern bietet ihnen auch Raum für ihren Wahlkampf“ und „Carl von Ossietzky war ein bekennender Antifaschist und Flüchtling vor dem NS-Staat“. Das alles hat aber nichts gebracht und der AfD-Vertreter ist trotzdem da.
Es sind vielleicht 100 Leute im Saal – die meisten aus der Oberstufe und nur wenige aus den unteren Klassen. Und dann noch einige Lehrer*innen und Eltern. Die Themen sind Klimawandel, Digitalisierung, die Lage junger Menschen und die Rolle der Regionen Europas. Vieles ist für mich ganz schön schwer zu verstehen.
Künstliche Intelligenz
Bei der Digitalisierung geht es um Fluggastdatenspeicherung und Uploadfilter und darum, das Internet demokratisch zu halten. Und um künstliche Intelligenz. Der Grünen-Politiker sagt, er finde Digitalisierung gut, das schaffe neue Jobs, und er sei für ein europäisches Zentrum für künstliche Intelligenz. Der Linken-Vertreter sagt, wir sollten erst mal unser Netz in Deutschland ausbauen.
Ich weiß wenig über Digitalisierung, dafür interessiere ich mich gar nicht. Das finde ich eher unheimlich und künstliche Intelligenz macht mir richtig Angst.
Die junge Leute seien heute wieder politischer, sagen die meisten Politiker. Deshalb werde es auch wieder eine höhere Wahlbeteiligung geben. Die meisten finden, man solle ab 16 wählen dürfen. Außer dem AfD-Vertreter. Der sagt, er fände 16 zu jung. Früher habe man erst mit 21 wählen dürfen.
Der AfD-Politiker sagt dann noch was über Wissenschaftler. Dass die meisten internationalen Forscher nicht nach Deutschland wollen, sondern in die USA. Hier in Deutschland bekämen sie nur eine kleine Wohnung und müssten Fahrrad fahren. Aber in Amerika kriegen sie ein Haus am See, einen schicken Flitzer und vielleicht auch noch eine hübsche Frau dazu. Da rufen dann einige Schüler sofort „Sexismus!“. Stimmt ja auch.
Duzen und siezen
Wäre die AfD nicht dagewesen, hätte es gar keine Diskussion gegeben. Weil alle anderen Parteien sich relativ ähnlich sind. Die duzen sich auch alle. Nur den Mann von der AfD siezen sie.
Die Grünen werden gefragt, warum sie für Digitalisierung seien, weil dabei doch auch viel CO2 ausgestoßen werde. Der Grüne antwortet, auch Digitaltechnik müsse mit erneuerbarer Energie produziert und betrieben werden.
Ich lerne, dass es bei den Grünen immer vor allem ums Klima geht. Ich frage mich, warum auf deren Plakaten dann ein „FCK NZS“-Sticker aufgedruckt ist, weil die ja irgendwie gar nicht so links und antifaschistisch sind, sondern eher so eine Mittelposition haben.
Einer fragt noch den Linken-Poliker: „Was sagen Sie zur Antifa? Die haben ja beim G20-Gipfel in Hamburg so viel randaliert. Können Sie sich mit denen identifizieren?“ Niklas Schrader erklärt, dass Gewalt als politisches Mittel schlecht sei. Aber auch, dass „Antifa“ ja erst mal die Abkürzung für „Antifaschismus“ ist und dass das keine politische Gruppe, sondern eine Einstellung sei.
Der AfD-Politiker ist viel weniger rechts als die im Bundestag. Der haut nicht so den Gauland raus und sagt „Holocaust war nur ein Vogelschiss“. Eigentlich will ich noch nach den Widersprüchen in der AfD fragen. Warum Alice Weidel als lesbische Frau verheiratet ist, in der Schweiz gelebt hat und ein schwarzes Kind hat, obwohl die AfD doch gegen alles das ist. Aber dann sind die zwei Stunden doch zu schnell rum.
Der Autor ist Schüler, 13 Jahre alt und Siebtklässler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört