Schule in Altona lässt auf sich warten: Fenster im Wind
In Hamburg-Altonas schickstem Neubauviertel sollte längst eine Schule stehen. Doch noch existiert erst der Rohbau.
Der kalte Wind lässt Verpackungsfolien der frisch eingebauten Fenster flattern, während Arbeiter ein Gerüst aufbauen. Sechs Stockwerke hoch ragt der Rohbau der Stadtteilschule Altona vor uns auf. Die Künstlerin Mikiko Fenner ist oft hier und guckt, was sich tut. Ihr Kind sollte hier zur Schule gehen, doch noch ist die Stadtteilschule Altona in einem vernachlässigten 70er-Jahre-Bau ganz woanders untergebracht.
Im Januar meldete Mikiko Fenner ihr Kind für die 5. Klasse an. Die Lage der Schule im Herzen der „Neuen Mitte Altona“ gefiel ihr. Wo früher Güterzüge abgefertigt wurden, entsteht hier ein verkehrsberuhigter Stadtteil, der Läden, Kitas, Parks und eben eine Schule bekommt.
Die Ankündigung
Die Wohnblöcke des ersten Abschnitts sind fertig. Sie erinnern mit ihren kantigen Balkonen etwas an Legobau, sind mit gelbem, beigem und graubraunem Klinker verziert. Guckt man auf Google Maps, ist von der Schule sogar nur eine Sandfläche zu sehen. Das war wohl einige Wochen vor der Grundsteinlegung im November 2019. Da sprach Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) von der Fertigstellung im Jahr 2021.
Wie die Schule mal aussehen soll, zeigt ein Gemälde auf dem Bauschild. Kompakt, rot verklinkert, mit warm erleuchteten Fenstern. Sommerlich gekleidete junge Menschen flanieren vor und auf der riesigen Treppe, die seitlich zum ersten und zweiten Stock führt. Diese Schule, so verspricht das Bild, wird so heimelig und schön, da bleiben die Schüler freiwillig bis in die Abendstunden.
Die Enttäuschung
Diesen August erfuhr der Elternrat dann aus der Presse, dass sich der Umzug bis Mai 2023 verzögert, also um fast zwei Jahre. In einem Brief an die Politik äußern Eltern Enttäuschung und Wut. Die Schulleiterin wandte sich beim Richtfest direkt an das Baupersonal: „Hopp, hopp, wir wollen einziehen!“ Ein Umzug sei zum ersten Mal sogar für 2012 angekündigt gewesen. Schon damals hieß es im Schulplan, dass die Schule den neuen Standort braucht, damit Eltern ihre Kinder hinschicken. Seither wurde am alten Ort nichts mehr erneuert.
Die Stadtteilschule ist in Hamburg die Schulform, auf die alle Kinder gehen können. Man müsste solche Schulen zu Palästen machen, hatte Olaf Scholz (SPD) angekündigt, als er 2011 in Hamburg Bürgermeister wurde. Er versprach aber auch jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen. Das mit den Wohnungen hat sogar fast geklappt, doch dahin ziehen Menschen, die auch Kinder kriegen. Bis 2030 muss die Stadt 44 neue Schulen bauen, auch der alte Standort der Stadtteilschule Altona ist nach deren Umzug für eine neue Schule verplant.
Westlich am Haus steht noch der Bahndamm. Ein ICE rollt vorbei. Es regnet. Wie die Finanzbehörde der taz mitteilte, verschob sich der Schulbau „wegen verzögerter Baumaßnahmen“ eines Nachbarhauses der Bahn um neun Monate. Wir stehen davor. Bürobau geht hier vor.
Die Aussichten
Wir schauen in den Keller, hinter einem Fenster geht es metertief runter. „Ist die Turnhalle“, ruft uns ein Gerüstbauer zu, der einen Halter in die Betonwand schlägt. Er klopft mit dem Werkzeug an das Haus. „Ist scheiße, der Bau.“ Hm. „Wieso?“ Er antwortet nicht.
Platz ist knapp in der Neuen Mitte Altona. Wenn die Schule fertig ist, kommt der Schulhof aufs Dach. Zu ebener Erde gibt es den „Quartiers-Park“, der öffentlich zugänglich ist. Dort hat man die Stahlrippen alter Bahnhallen stehen lassen – nur schützen die nicht vor Regen.
Mikiko Fenner ist froh, dass zumindest die Fenster in der Schule drin sind. Der Innenausbau, der Außenputz, all das müsste bis Mai 2023 wohl zu schaffen sein, sagt sie. „Aber es könnte sein, dass es noch länger dauert. Kinder haben doch keine Lobby.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?