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Schuldenstreit in GriechenlandVaroufakis kritisiert Zentralbank

Der griechische Finanzminister beschwert sich über die EZB. Beim Thema Reparationen bekommt Athen Rückendeckung von der Linkspartei.

„Aus meiner Sicht verfolgt die EZB eine Politik gegenüber unserer Regierung, die ihr die Luft zum Atmen nimmt“: Gianis Varoufakis. Bild: dpa

ATHEN/BERLIN dpa | Griechenland heizt mit neuen Vorwürfen gegen Berlin und die EZB den Schuldenstreit an. Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis knöpfte sich einmal mehr die Europäische Zentralbank (EZB) vor, an deren Tropf Athens Banken hängen. „Aus meiner Sicht verfolgt die EZB eine Politik gegenüber unserer Regierung, die ihr die Luft zum Atmen nimmt“, kritisierte Varoufakis in einem Interview.

Über Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte er, dieser habe von Anfang kein Vertrauen in die Syriza-Regierung gehabt. Zurück in Athen sind die Kontrolleure der Ex-Troika, um die Umsetzung der Sparauflagen zu überprüfen und zu schauen, wie groß das griechische Finanzloch tatsächlich ist.

Die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission dürfen aber nicht in die Ministerien, sondern müssen die Unterlagen im Hotel durcharbeiten.

In Paris wollten Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras und Varoufakis am Donnerstag bei einem Treffen mit OECD-Chef Ángel Gurría ihren Sanierungskurs erläutern.

Varoufakis sagte über sein Verhältnis zu Schäuble im griechischen Fernsehsender Mega: „Wir sprechen immer sehr zivilisiert und konstruktiv.“ Zugleich betonte er: „Bei einem Treffen, das ich mit Herrn Schäuble hatte, sagte er mir, ich hätte das Vertrauen der deutschen Regierung verloren. Und ich sagte ihm: Ich hatte es nie, ich bin Mitglied einer Regierung der radikalen Linken.“ Er bemühe sich aber, auch in Deutschland Vertrauen zu gewinnen.

Varoufakis Vorwürfe, die europäischen Notenbanken würden dem schuldengeplagten Land nicht genug helfen, wies Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zurück. Es sei Sache von Regierungen und Parlamenten zu entscheiden, wie weit sie den Griechen unter die Arme greifen wollten, erläuterte Weidmann in Frankfurt: „Ich sehe diese Aufgabe weniger denn je beim Eurosystem.“

Streit über Pfändung deutschen Eigentums

Beim Thema Reparationen bekommt Athen Rückendeckung von der Linkspartei. Deren Vorsitzender Bernd Riexinger sagte in der ARD: „Das verjährt nicht. Das ist ein Kredit, der zurückgezahlt werden muss. Da haben die Griechen recht.“ Die Bundesregierung sieht die Entschädigungsfrage als erledigt an – Athen lässt aber nicht locker.

Griechenlands Justizminister Nikos Paraskevopoulos drohte offen mit der Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland. Die Links-Rechts-Regierung fordert die Rückzahlung eines griechischen Zwangskredits an die Besatzungsmacht Nazi-Deutschland von 1942.

Griechenlands Regierung hatte zudem damit gedroht, Zehntausende Flüchtlinge in andere EU-Staaten weiterzuschicken, wenn Europa Athen in der Schuldenfrage nicht entgegenkomme. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in Brüssel, bisher gehe die Bundesregierung von einem Missverständnis aus. Man werde nachfassen. „Wenn es so wäre, dass Migrations- und Flüchtlingsthemen vermischt würden mit der Debatte um Finanzhilfen, dann wäre das sehr ungewöhnlich und würde von uns natürlich eine klare Antwort bekommen“, sagte de Maizière.

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4 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Varoufakis spricht Klartext.

     

    "DieGriechen tun mir leid" war Schäubles Kommentar nach der Wahl, wusste also schon damals, wie er "verhandeln" wird, falls man das noch so bezeichnen kann.

    Mit den Reparationsforderungen sollten die Griechen vor ein internationales Gericht, denn D wird schon deswegen nicht zahlen wollen, weil die Regierung einen Dominoeffekt befürchtet.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Na, vor ein internationales Gericht wollen die Griechen ja gerade nicht. Da waren Sie schon mal und haben verloren. Nein, man versucht, politisch den Druck zu erhöhen. Juristisch sind die Erfolgsaussichten für Griechenland eher gering. Selbst wenn sie aber erfolgreich wären, würde ein solches Verfahren Jahre in Anspruch nehmen.

       

      Griechenland aber braucht jetzt Geld. Und da geht es eher um Tage als um Wochen.

  • Ich find' das geil, wie Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis den gesamten korrupten europäischen Politikern, die nichts weiter als willfährige Handlanger der global marodierender Finanzmafia sind, die Zunge - krawattenlos - herausstrecken und diese in ihrer ganzen abstoßenden Verkommenheit vorführen.

    Und das auf eine lockere, sympathische Art.

    Dass Schäuble und der Locus vor Wut schäumen und die Contenance verlieren, beweist schließlich, dass die Beiden die Schmerzstellen, den Punkt, voll getroffen haben. http://tinyurl.com/k5qjeyy

     

    Worüber regen wir uns auf?

    Doch wohl allenfalls darüber, dass es uns bislang nicht gelungen ist, dieses verkommene System des verbrecherischen Turbo-Kapitalismus mindestens in seine Grenzen zu weisen, geschweige denn es endlich abzuschaffen?

    Wen juckt es? Was betrifft uns? Für wessen Interessen?

    Soll ich etwa ernsthaft die multinationalen Interessen der Deutschen Bank, Enron, Morgan Chase, von E.on, Saudi-Arabien, Fracking-USA, einem Steuerhinterzieherland-Boss Jean-Claude Juncker, der Atomindustrie und all deren dumm-dreisten PR- und Medien-Büttel unterstützen, indem ich mich über die Griechen befehlsgemäß ganz im Sinne der AfD nazimäßig nationalistisch erzürne (rhet.).

    Alle vorgenannten Finanzjongleure betreiben nach wie vor skrupellos ihre Geschäfte gemeinsam mit den griechischen Kapitalunken, den Großgrundbesitzern, den von der seinerzeitigen Junta bis dato per Gesetz steuerbefreiten Reedern und den dortigen Steuerhinterziehern zu Lasten der griechischen und der ganzen europäischen Bevölkerung und der braven SteuerzahlerInnen.

    Was mich lediglich betrübt, ist dass Varoufakis und Tsipras sehr wahrscheinlich ihre eingeschlagene Richtung nicht durchhalten und letztlich scheitern werden.

  • und jetzt meldet sich ein Linke Politiker, der die SED Nachfolger-Partei vertritt, und will erzaehlen das Reparationen nicht verjährt sind.

     

    Aber wenn es um Verantwortung für Unrecht aus sein eigene Verein geht, ist er vom Staub nicht zu sehen - so schnell rennt er davon.