Schuldenkrise in Argentinien: Ausweg gesucht
Die Corona-Pandemie verstärkt die Krise in Argentinen. Nehmen die Gläubiger das Angebot der Regierung nicht an, droht wieder eine Staatspleite.
Das Angebot sieht einen Schuldenschnitt von 41,5 Milliarden Dollar sowie eine dreijährige Tilgungspause bei Dollar-Anleihen nach internationalem Recht vor. Der Löwenanteil entfällt auf eine Zinsreduzierung um 62 Prozent oder 37,9 Milliarden Dollar. Dazu kommt ein Abschlag auf die Kapitalsumme von 5,4 Prozent oder 3,6 Milliarden. Ab 2023 soll der Schuldendienst wieder aufgenommen werden, die dann zu tilgenden Verbindlichkeiten sollen mit einem Durchschnitt von 2,33 Prozent verzinst werden.
Die bisherigen Verhandlungen seien erfolglos geblieben, erklärte Argentiniens Finanzminister Martín Guzmán, „wegen der Forderung der Privaten nach einer stärkeren Kürzung des Staatshaushalts“. Wegen der festgefahrenen Verhandlungen machte die Regierung ihr Angebot jetzt öffentlich.
Bereits am Dienstag hatte die Regierung die Ausgabe neuer Schuldtitel im Wert von 50,5 Milliarden Dollar bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC beantragt. Bei einem erfolgreichen Abschluss sollen die neuen Titel gegen die alten Titel getauscht werden. Argentiniens größte private Gläubiger sind der Investmentfonds Pimco, der zur deutschen Allianz gehört, sowie die US-Fonds Franklin, BlackRock und Fidelity. Sie halten rund 25 Milliarden Dollar der Verbindlichkeiten.
280 Milliarden Dollar Auslandsverschuldung
Schon vor der Corona-Pandemie konnte Argentinien seine Schuldenlast nicht mehr stemmen. Ende 2019 betrug Argentiniens Auslandsverschuldung rund 280 Milliarden Dollar. Während der vierjährigen Amtszeit des neoliberalen Vorgängerpräsidenten Mauricio Macri hatte sich der Schuldenberg um rund 100 Milliarden Dollar erhöht. Diese Zahlen gab kürzlich die staatliche Statistikbehörde Indec bekannt.
Am 6. April hatte die Regierung einseitig beschlossen, den Schuldendienst für unter nationalem Recht aufgelegte Anleihen in Höhe von 10 Milliarden Dollar bis zum kommende Jahr auszusetzen. Zudem verschob sie eine Anfang Mai fällige Rückzahlung von 2,1 Milliarden Dollar an die im Pariser Club zusammengeschlossenen 16 Gläubigerstaaten um ein Jahr und suchte um eine Neuregelung der gesamten Verbindlichkeiten in Höhe von 9,7 Milliarden Dollar nach.
Die mit Abstand größten Gläubiger im Club sind Deutschland und Japan. Staatliche Gläubiger hatten sich wegen der Corona-Pandemie bereits auf Schuldenerleichterungen für ärmere Schuldnerstaaten verständigt. Am Dienstag stellten die führenden Industriestaaten der G7 Schuldennachlässe in Aussicht. Tags darauf verständigten sich die führenden Industrie- und Schwellenländer der G20 auf eine Aufschiebung von Zins- und Tilgungszahlungen für 77 besonders arme Staaten. So könnte dem schuldenerprobten Argentinien in Zeiten der Coronakrise eine Vorreiterrolle bei den Schuldenverhandlungen mit Privatgläubigern zukommen.
Unterstützung erhielt die Regierung vom Internationalen Währungsfonds (IWF), bei dem sie mit 44 Milliarden Dollar in der Kreide steht. „Argentinien hat sich stark darauf konzentriert, die Coronakrise mit einer Reihe angemessenen Maßnahmen im Gesundheitsbereich zu bewältigen und die am stärksten gefährdeten Menschen und die am stärksten gefährdeten Wirtschaftszweige zu unterstützen“, lobte IWF-Chefin Kristalina Georgieva am Rande der gerade virtuell durchgeführten Frühjahrstagung von IWF und Weltbank. Weitere Finanzspritzen schloss der Fonds jedoch aus.
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