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Schulden-Trick des FinanzministersLindners geboosterte Finanzen

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

60 Milliarden Euro Schulden sind aus dem Coronapaket übrig. Der Finanzminister will das Geld fürs Klima ausgeben – ein waghalsiges Verfahren.

Greift in die Trickkiste: Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP Foto: Michele Tantussi/reuters

C hristian Lindners Karriere als Bundesfinanzminister beginnt mit einem Trick. 60 Milliarden Euro Schulden, die 2021 nicht gebraucht werden, verschiebt der FDP-Politiker als Finanzpolster in die nächsten Jahre. So hat es das Ampelkabinett am Montag beschlossen. Und mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen und FDP wird der Bundestag den Vorschlag wohl auch annehmen. Trotzdem ist das Verfahren waghalsig.

Denn die Verschuldung auf Vorrat könnte vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Die Zweifel liegen nahe: Ist es mit der Schuldenbremse im Grundgesetz vereinbar, Kredite aufzunehmen, die im laufenden Jahr gar nicht benötigt werden? Denn es geht dabei ja offensichtlich nicht mehr um die Bewältigung einer akuten Krise, für die die Schuldenbremse ausnahmsweise gelöst werden darf.

Natürlich sei das der Fall, argumentiert dagegen die neue Koalition. Das Polster stehe durchaus im Zusammenhang mit der Coronakrise. Schließlich diene es dazu, Investi­tio­nen der Wirtschaft auszulösen und nachzuholen, die dieses Jahr wegen der Pandemie nicht stattgefunden haben. Einerseits ist das ein nachvollziehbarer Punkt, denn tatsächlich liegen die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen inflationsbereinigt unter dem Niveau von 2019.

Andererseits: Das Geld soll in den Klimafonds des Bundeshaushalts fließen. Was aber hat Klimaschutz mit Corona zu tun? Da sagt die Regierung: Die Klima-Investitionen leisteten ebenfalls einen Beitrag, dass Deutschland aus der Gesundheitskrise herauskomme – ein „Booster“ für die Erholung der Konjunktur, wie Lindner erklärte. Das Bundesverfassungsgericht könnten Zweifel an dieser recht fantasievollen Begründung beschleichen. Lindner jetzt als Wendehals zu diskreditieren, wäre jedoch falsch.

Es handelt sich um einen klassischen Kompromiss dreier Parteien, von denen zwei – SPD und Grüne – viel mehr Geld ausgeben und dafür die Steuern für große Einkommen und Vermögen anheben wollten, während die dritte – die FDP – höhere Steuern ablehnte. Dass der Finanzminister das 60-Milliarden-Euro-Kunststück mit ungewissem Ausgang nun aufführen muss, ist der Preis für seine Weigerung, die Mittel anderweitig zu beschaffen. Unterm Strich ist die Verschuldung auf Vorrat eine akzeptable Lösung.

Irgendwo muss das Geld für die digitale Modernisierung und den Klimaschutz schließlich herkommen. Bei dem 60-Milliarden-Trick wird es auch nicht bleiben. Die Koalition hat sich weitere innovative Verfahren zur Geldbeschaffung ausgedacht. Beispielsweise sollen Unternehmen und Institutionen in Staatsbesitz, etwa die Bahn AG und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, später die Kredite aufnehmen, die der Bundesregierung verwehrt bleiben.

Auch das könnte vor Gericht landen. Mit etwas Glück ist das Geld dann aber schon ausgegeben.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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13 Kommentare

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  • Es muss ja nicht gleich Modern Monetary Theory sein, aber dieses ideologische Getue um die Schuldenbremse ist manchmal etwas befremdlich.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Was aussieht wie ein Zaubertrick,



    Das nennt sich Lindner-Politik.



    […]



    Der Geist d e r Politik ist leicht zu fassen.



    Er nimmt mal großes und mal kleines Geld



    Um es dann auszusehen lassen,



    Als täte er‘s für die Umwelt.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      All die Unken und Hyänen

      Machen mir das Leben schwer

      Ach, was flößen wohl die Tränen

      Wär'n des Staates Hände leer

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @What would The Doctor do?:

        Nähm Steuern er vom Milliadär,



        Dann wär'n die Hände auch nicht leer.



        Und Schulden lasten nicht so schwer.

  • Die Verfassungswidrigkeit des Vorhabens liegt auf der Hand und der Nachtragsetat wird in Karlsruhe kassiert werden. Die Frage ist nur, ob das Geld bis dahin ausgegeben sein wird.

    Verlierer ist und bleibt die Verfassung.

    Richtig spannend wird es jedoch, wenn das Geld noch nicht ausgegeben sein sollte und der Klimafonds dann mangels alternativer Finanzierung zusammen bricht.

    • @DiMa:

      Verfassungswidrig wäre zunächst einmal eine nicht hinreichend ehrgeizige Klimaschutz-Politik, welche die Freiheitsrechte künftiger Generationen bedroht.

      Zweitens wurde im letzten Jahr genau das Gleiche getan: nicht abgeschöpfte Mittel in den Klimaschutz-Fonds verschoben. Offenbar hat sich darüber niemand beim Bundesverfassungsgericht beklagt.

      Weiterhin steht es dem Bund zu, die Wirtschaftsförderung an geeignete Kriterien zu knüpfen. Und schließlich sind Bundeshaushalt und Gesamtwirtschaftliche Lage derzeit äußerst angespannt.

      All das würde das BVG sicher berücksichtigen. Daher sehe ich diese Kritik einigermaßen gelassen.

      • @What would The Doctor do?:

        Art. 115 Abs. 2 GG gibt die Ausnahmen von der Schuldenbremse klar vor. Diese leigen für das Klima nicht vor.

        Eine Verschiebung nicht aufgerbauchter Mittel hat im vergangenen Jahr nicht stattgefunden. Dafür hätte es eines Nachtragshaushaltes bedurft. Letzter (zweiter) Nachtragshaushalt im Jahr 2020 datiert jedoch vom 2.07.2020.

  • Wäre CL in der Opposition gewesen, hätte er getobt bei diesem Vorgang. So ist das mit dem zweyerlei Maß. Willkommen in der Realität.

  • Ja kann es denn sein, dass der Herr Lindner doch noch sein Herz für die Umwelt begeistert, und vielleicht ein richtig guter FM wird? Nein im Ernst- ich habe Hoffnung, dass die Ampel doch ein Erfolg wird.

    • @Rasmuss:

      Ich sehe schon die Libertards schäumen, so wie sie scharenweise fast der Apoplex getroffen hat als Kubicki der Pflege-Impfpflicht zustimmte: UNSERE EUROS! UNSERE SCHÖNEN DEUTSCHEN EUROS!

      Das ist jetzt sehr hart für die Ichlinge, und die AfD freut sich natürlich den Arsch ab, aber das ist mir jetzt auch egal. Hätten die Blaunen nicht jetzt Stimmen von der FDP abgezogen, hätten sie es bei anderer Gelegenheit getan. Lindner wollte den Job, jetzt hat er ihn.



      Gut, dass sich da niemand von SPD oder Grünen nassmachen musste; insofern würde ich das mit dem "Erfolg der Ampel " durchaus unterschreiben, obwohl ich eigentlich vehement Team R2G bin... ;-)

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Ein windiger Typ, immer auf der Seite der Arbeitgeber und Industriellen. Nie hätte ich den gewählt.

  • Alles klar – übersetzt heißt das also: Der gute Zweck heiligt jedes Mittel.

  • Willkommen in der Realität. Eine Klimawende gibt es nicht hinterhergeworfen und die Merkel-Regierung hat das notwendige Geld lieber den Banken in vollen Händen hinterhergeschmissen, als einige von denen den Bach runtergehen zu lassen und das Geld besser zu investieren.