Schüler:innen gegen das Tabu: Tampons auf dem Schulklo
Um der Tabuisierung der Menstruation entgegenzuwirken, fordert der Landesschülerrat Mecklenburg-Vorpommern Menstruationsprodukte in Schulen.
Ist der gesicherte Zugang zu Hygieneprodukten aus finanziellen Gründen nicht möglich, spricht man auch von Periodenarmut, oder „period poverty“. Abschließende Sicherheit bieten aber auch mitgebrachte Hygieneartikel nicht. Menstruation ist aller Aufklärung zum Trotz noch immer so tabuisiert, dass viele Schülerinnen aufpassen, ja nicht mit dem Tampon in der Tasche erwischt zu werden.
Der Landesschülerrat Mecklenburg Vorpommern hat deshalb vergangenen Mittwoch die kostenlose Bereitstellung von Menstruations-Produkten an allen Schulen im gesamten Bundesland gefordert. Es solle ein jährliches Budget geben, mit dem Landkreise und kreisfreie Städte für die Schulen in ihrem Gebiet kostenlose und vollumfängliche Menstruations-Produkte auf ihren Schultoiletten garantieren können sollen. Das sei ein wichtiger Schritt, um Schülerinnen Sicherheit und Selbstvertrauen während ihrer Periode zu geben, sagt Anton Fischer, der Vorsitzende des Landesschülerrates.
Eine Umfrage des Schülerrates an weiterführenden Schulen hatte ergeben, dass bislang nicht mal die Hälfte der Schulen Menstruations-Produkte anbieten. Die weiteren Schulen böten momentan zwar keine an, wären aber zum Großteil dazu bereit, wenn eine Finanzierung übernommen würde.
Tamponzuständigkeit liegt bei Kommunen
„Wir erhielten eine hohe Zustimmung durch die Schulleitungen zu diesem Projekt und stießen nur sehr vereinzelt auf Ablehnung“, so Fischer. Wie hoch die Kosten und das zu fordernde Budget letztlich wären, soll nun ein Pilotprojekt ermitteln. Für das kommende Schuljahr sollen in den Sommerferien interessierte Schulen kontaktiert und die Produktausstattung geplant werden. Dann könnte es direkt losgehen. Nach Ende des Pilotprojektes samt Evaluation sollen die Produkte dann frei auf den Schultoiletten zur Verfügung stehen.
Die Ausstattung der Schulen mit Materialien, die für den geregelten Schulalltag notwendig sind, ist Sache der Kommunen. Dazu gehören ausdrücklich auch Hygieneprodukte, also auch theoretisch Binden und Tampons. Problematisch ist nur, dass es keine einheitliche Regelung gibt und die etwaige Bereitstellung vielerorts durch Einzelentscheidungen verhindert werden könnte.
Die Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern, an die sich die Forderung richteten, äußerten mehrheitlich, dass das Thema bislang keine Rolle in schulpolitischen Debatten gespielt habe. Manche wollen das nun ändern. Manuela Gabriel vom Fachdienst Bildung und Sport aus Schwerin sagt, sie wollen sich der Forderung nicht von vornherein verschließen und werden diese nun auf ihre rechtliche Machbarkeit prüfen.
Aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg heißt es jedoch, dass die Umsetzung der Forderungen des Landesschülerrates für den Schulbetrieb gegenwärtig nicht von hoher Relevanz sei. Das Thema scheint in den jeweiligen Kommunen zwar unterschiedlich, aber insgesamt nicht als sonderlich drängend wahrgenommen zu werden.
Der Schülerrat aus Mecklenburg-Vorpommern ist mit seiner Forderung ein Vorreiter. In Deutschland gab es ein solches Modellprojekt bislang nur in Schulen in Wiesbaden. Die Landesschülervertretungen aus Hamburg und Bremen unterstützen die Forderung nach Menstruationsprodukten, haben sich selbst aber noch nicht konkret positioniert.
Hygieneartikel auch auf Jungentoiletten
Dass Kommunen und nicht das Land zuständig für die Beschaffung von Hygieneprodukte an Schulen sind, ist auch dem SchülerInnenrat Niedersachsens aufgefallen. Dieser hatte das Thema bereits im vergangenen Herbst an den niedersächsischen Kultusminister herangetragen.
Hier lautete die ausdrückliche Forderung, dass das Land sich um die Bereitstellung von Hygieneprodukten kümmern solle, nicht die Kommunen. Denn ohne einheitliche Regelung würde durch Einzelentscheidungen ein hoher Aufwand entstehen – was beim SchülerInnenrat wenig Hoffnung auf Veränderung weckte.
Insgesamt ging die niedersächsische SchülerInnen-Kampagne im Gegensatz zur aktuellen aus Mecklenburg-Vorpommern auch auf Inklusivität und Nachhaltigkeit ein: Sie wollten ausdrücklich Bio-Hygieneartikel, und die auch auf Jungentoiletten, um allen womöglich menstruierenden Menschen den Zugang zu Hygieneprodukten zu ermöglichen. So wollte man einer breiteren Enttabuisierung näherkommen. Die Forderung wurde abgelehnt.
Länder wie Schottland oder Neuseeland haben bereits flächendeckend Menstruationsprodukte in Schulen eingeführt und zeigen, wie positiv dies von den Schüler:innen aufgenommen wird. Der Einsatz aus Mecklenburg-Vorpommern wäre ein erster Schritt, um sich auch in Deutschland der Enttabuisierung der Periode im Schulumfeld zu nähern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt