piwik no script img

Schrumpfende MittelschichtWie in den USA

Die Mittelschicht in Deutschland wird kleiner. Schuld ist das Anwachsen des Niedriglohnsektors. Besonders betroffen sind junge Erwachsene und Migranten.

Mexikanische Arbeiterinnen verdienen in den USA wenig – und die Mittelschicht wird kleiner Foto: ap

Berlin dpa | Der Anteil der Mittelschicht an der Bevölkerung ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten auf zuletzt 54 Prozent geschrumpft. Rund 20 Jahre zuvor lag er noch bei 60 Prozent. Vergleicht man die Entwicklung von 1991 bis 2013, ist für Deutschland mit sechs Prozentpunkten ein ebenso großes Schrumpfen der Mittelschicht zu verzeichnen wie in den USA. Das zeigt eine am Freitag in Berlin veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Insgesamt gab es in den USA aber eine größere Polarisierung, so das DIW. Einkommensverluste der Absteiger und -gewinne der Aufsteiger seien nämlich vergleichsweise größer gewesen in Deutschland. Als zentrale Gründe für das Schrumpfen der Mittelschicht in Deutschland sehen die Experten ein Anwachsen des Niedriglohnbereichs. Hintergrund sei die Zunahme der im Schnitt geringer bezahlten Jobs im Dienstleistungssektor und der Wegfall von Arbeitsplätzen in der Industrie.

Besonders betroffen sind Ausländer. „In Deutschland sind in den letzten Jahren zunehmend die Ausländer aus der Einkommensmittelschicht abgestiegen“, sagte Markus M. Grabka vom Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des DIW, einer Langzeitbefragung privater Haushalte. In den USA seien verstärkt aus Lateinamerika stammende Menschen abgestiegen.

Die Mittelschicht wird älter: Der Anteil bei den 18- bis 30-Jährigen sank in Deutschland von 1983 bis 2013 von 69 auf 52 Prozent, bei den 30- bis 45-Jährigen von 78 auf 64 Prozent. Menschen im Rentenalter haben dagegen aufgeholt: von 24 auf 41 Prozent. Bei den jungen Erwachsensen stieg der Anteil der Einkommensschwachen besonders deutlich – bei den ab 65-Jährigen nahm dieser stark ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Nur wenn der Anteil

    der Vollzeiterwerbstätigen an allen poten

    tiell erwerbstätigen Menschen geringer wird, wird das einen Einfluß auf die Größe der Mittelschicht haben. In Deutschland ist es aber gerade so, daß es eine stark steigende Zahl der Erwerbstätigen gibt und das sich die Teilzeit- und Niedriglohnarbeitsplätze sich - naturgemäß - auf die neu in den Arbeitsmarkt kommenden beschränkt.

    Und damit ist die Mär von der schrumpfenden Mittelschicht ein mit statistischen Mittel herbeigeführter Mythos.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Wir werden noch viel ernsthaftere Probleme in dieser Richtung bekommen. In der Industrie sind viele Arbeitsplätze weggefallen, weil hier in den letzten Jahrzehnten eine massive Automatisierung stattgefunden hat. Diese hat schon und wird sich weiter auf den Angestelltenbereich verlagern.

    Die Folgen werden auf lange Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit positive Auswirkungen haben, es wird aber sicher eine Zeit lang verdammt unangenehm werden. Ähnliche Probleme sind im Zuge der Industrialisierung auch aufgetreten.

     

    Man muss sich echt überlegen was mit all den Menschen passieren soll die sonst primär körperliche oder einfache geistige Tätigkeiten ausgeübt haben passiert. Es gibt zwar viele offene Stellen aber es ist unrealistisch zu erwarten das ehemalige Hausmeister, Buchhalter oder Taxifahrer zu Programmierern oder Ingenieuren umgeschult werden können.

     

    Was definitiv nicht sinnvoll ist sind Verbote von Automatisierung, wie sie hier und da gefordert werden. Wer sowas tut der ist gegenüber anderen Ländern in einer sehr ungünstigen Position.

     

    Ein sicherer Hafen vor Automatisierung sind Berufe die auf sozialer Interaktion basieren. Da wird zwar nicht so gut verdient aber eine Umschulung in diesen Bereich ist realistischer, wenn gleich auch nicht jedem solche Tätigkeiten liegen.

  • "Als zentrale Gründe für das Schrumpfen der Mittelschicht in Deutschland sehen die Experten ein Anwachsen des Niedriglohnbereichs. Hintergrund sei die Zunahme der im Schnitt geringer bezahlten Jobs im Dienstleistungssektor und der Wegfall von Arbeitsplätzen in der Industrie."

    Industrie - also Verlagerung in Billigländer, denen geht's dafür besser. Vielleicht auch Automatisierung. Bei der Analyse könnte sich der Journalist etwas mehr Mühe geben. Vergleichen wir das Bruttoinlandprodukt pro Kopf:

    Deutschland 2014=48.000 aktuelle US$, gehen wir etwas zurück, 1981=10.000 aktuelle US$

    China 2014=8.000 aktuelle US$, gehen wir etwas zurück, 1981=200 aktuelle US$

    Während sich das BIP/Kopf in Deutschland in diesem Zeitraum fast verfünffacht hat, ist das Bruttoinlandprodukt pro Kopf in China um den Faktor 40 gestiegen, also 8 Mal schneller als in Deutschland. Man sagt auch China ist zur Werkbank der Welt geworden. Schlussfolgerung?