■ Schröder: Wirtschaftsförderung geht vor Umweltschutz: Die SPD auf dem Weg rückwärts
Gerhard Schröder hat keinen Internet-Anschluß. Der niedersächsische Ministerpräsident und sogenannte SPD-Wirtschaftsexperte redet zwar gern und viel über neue Technologien, denen man offen gegenüberstehen müsse und deren Risiken man nicht aufbauschen solle. Aber Schröder hat gar keinen Zugang zum weltweiten Datennetz. Jeder amerikanische Kleinstadtbürgermeister ist in der Welt von morgen besser orientiert.
Diese Unkenntnis hindert den Hobbyökonom Schröder aber nicht, anderen Fortschrittsfeindlichkeit vorzuhalten. Die Umweltschützer, die ökologischen Umbauer seien es, die den Standort Deutschland gefährden. Die Ostsee-Autobahn macht Sinn, der bürokratisierte Umweltschutz hingegen sei ein Standortrisiko ersten Ranges, sagt Schröder. Und sein SPD- Fanclub mit NRW-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und dem Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt an der Spitze erklärt das Verbrennen von Müll zur Zukunftstechnologie. Wer daggegen aufmuckt, muß ein Miesepeter sein.
Eine dramatische Umweltentlastung sei schon erreicht worden, meinen diese Sozialdemokraten. Die asthmakranken Kinder im Ruhrgebiet müssen wohl Hypochonder sein, und die krepelnden Bäume in Norddeutschland simulieren nur. Im Hamburger Umweltsenat werden demnächst überall große Flaschen mit Elbewasser aufgestellt, zum Selberzapfen. Wohl bekomm's. Schließlich ist „die Abwasserproblematik hierzulande gelöst“ (Vahrenholt).
Hinter soviel geballtem Unsinn muß eine Strategie stecken. Arbeitshypothese: Schröder, Clement und Vahrenholt hängen immer noch den Fortschrittsmodellen der frühen sechziger Jahre an. Und nachdem der Himmel über der Ruhr wieder blau ist, kann auf weiteren Umweltschutz doch verzichtet werden. Alles Roger mit ungebremsten Wachstum. Das muß dann nur noch durchgesetzt werden.
Oder ist die Ökowende der Genossen reine Wahltaktik? Sollen die Wähler der Mitte tatsächlich mit Öko-Bashing gewonnen werden? Vor einer möglichen Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl entstünde so eine ökologische Verhandlungsmasse. Dann muß noch mehr an der Geisteskraft der Genossen gezweifelt werden. Auch Sozialdemokraten werden den Wählern nämlich nicht verkaufen können, daß das Verbrennen von Müll und das Giftspritzen beim Genmais tatsächlich die Jobs der Zukunft sind. Nicht mal als Wahltaktik. Hermann-Josef Tenhagen
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