Schriftsteller:innen zum Ukrainekrieg: Kultur ist Putin egal
Der PEN lud in Leipzig zu einem Podium über den Krieg. Nicht leicht, eine ukrainische Autorin zu finden, die noch mit Russen reden möchte.
„Es widersteht mir, eine neue theoretische Formel für den Krieg zu finden. Ich weiß nur, dass der Krieg etwas Ungeheuerliches ist“, sagt der Historiker Karl Schlögel am Beginn der Veranstaltung „Nein zu Putins Krieg“, die am Samstagabend auf der Popup-Buchmesse im Leipziger Werk 2 stattfindet.
Der Schriftstellerverband PEN hat dazu eingeladen und laut Moderatorin Cornelia Zetzsche war es gar nicht so einfach, eine:n ukrainische:n Schriftsteller:in zu finden, die bereit war, sich hier mit einem russischen und einer belarussischen Kolleg:in zum Gespräch hinzusetzen. Diese Anfrage sei „unverschämt“, habe sie unter anderem als Antwort erhalten. Die Ukrainerin Marjana Gaponenko, die tatsächlich gekommen ist, sagt, sie verstehe, dass man aufgebracht sei. „Aber wir dürfen unseren Hass auf Putin nicht auf unser Mitstreiter projizieren. Es geht hier nicht um Politik, sondern ums Menschsein.“
Aber welche Rolle kann die Literatur noch spielen, wenn Krieg ist? „Literatur versagt immer, wenn ein Krieg beginnt“, sagt der russische Autor Michail Schischkin. „Die deutsche Literatur konnte Auschwitz nicht stoppen.“ Doch ihr käme später eine wichtige Rolle zu, erklärt er. „Hass und Schmerz kann man nur mit der Kultur überwinden. Da werden wir die Literatur brauchen.“
Gaponenko betont, als es um die Frage geht, ob als nächstes das Weltkulturerbe in Lwiw von der russischen Armee zerstört werden wird: „Kultur ist Putin egal. Genauso wie das menschliche Leben.“
Auch diese Veranstaltung – wie so viele in den letzten Wochen – widmet sich der Frage, was man machen kann. Als Mensch und als Kulturschaffende. Dass man nichts machen kann, sei sowohl wahr als auch falsch, findet die belarussische Linguistin Volha Hapeyeva. „Wahr, weil sie mich nicht hören, wenn ich auf die Straße gehe und fordere: Aufhören!“ Aber viele Autorinnen und Lyrikerinnen hätten in den letzten Jahren, zum Beispiel nach der Annektierung der Krim darüber geschrieben. „Aber wer hört auf Schriftsteller?“, fragt Schuchkin mehrmals an dem Abend.
Keine Pazifistin mehr
Die Grenzen des Wortes und des Dialogs während eines Kriegs werden in dieser Diskussion immer offensichtlicher. Zwar fragt Hapeyeva, wieso überhaupt noch Waffen hergestellt werden, aber Schlögel betont, dass der Dialog, der immer wieder versucht wurde, indem sich in Moskau Politiker an den langen Tisch Putins saßen, nichts gebracht habe. „Der PEN hat die Aufgabe sich für einen Krieg gegen den Krieg aufzustellen “, sagt der Historiker und verweist auf die Geschichte, in der der PEN für einen kämpferischer Antifaschismus stand.
Der PEN in der Ukraine und andere Literaturinstitutionen des Landes haben längst eine Totalboykott russischer Bücher und Verlage gefordert. Der Übersetzer Juri Durkot, der live aus Lwiw zugeschaltet wird, sagt, dass er in einer normalen Welt gegen Verbote wäre. Aber die Welt sei nicht mehr normal. „Bei den zeitgenössischen Autoren in Russland, die den Krieg unterstützt haben – und das sind wirklich sehr viele – ist es eine Frage der Selbsthygiene. Bei allen anderen ist es eine Frage des Fingerspitzengefühls.“
Gaponenko meint, dass sie zur Zeit nicht schreiben könne. „Ich kann erst dann schreiben, wenn wir diesen Krieg gewonnen haben.“ Sie könnte nicht einmal weiterleben, wenn Putin die Ukraine annektieren würde. Und so bittet sie um mehr Waffen aus Deutschland und von der Nato. „Ich habe das nie gedacht, dass ich das ich als Schriftstellerin sage, aber ich bin keine Pazifistin mehr.“
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