Schreiben in Krisenzeiten: Überall brennt's, ich bin im Büro
Rechtsextreme Netzwerke, ein zerstörter Planet, die Welt in der Dauerkrise. Unsere Autorin fragt sich: Was ist der richtige Weg darüber zu schreiben?
O K. Hier sind wir also schon wieder: Alle zwei Wochen erscheint diese Kolumne, und jedes Mal, wenn ich mich äußern darf, dominiert ein weiterer Auswuchs von Menschenverachtung den Diskurs. Dann sitze ich hier mit meinen 3.000 Zeichen Platz – und nichts passt da rein.
Wahrscheinlich macht es nicht mal Sinn, hier auszusprechen, was genau nun der Anlass für diesen Einsteig ist: Wer weiß, welche Gewalttaten noch verübt werden, bis diese Zeitung durch den Druck ist oder mit welchen faschistischen Netzwerken wir uns beschäftigen, wenn die Online-Redaktion aus der Frühstückspause ist. Oder der Planet ist verbrannt. Wer weiß.
Es ist nicht so, dass ich denke, dass wir nichts zu besprechen hätten – ganz im Gegenteil. Ich weiß nur nicht, wie uns eine Kolumne dabei helfen kann. Ich selbst lese immer weniger Meinungsbeiträge. Mir ist nach Reportagen und Analysen und nach politischer Philosophie.
Der Planet brennt und ich sitze in einem Büro. Die Themen dieser Tage passen selten in eine Spalte und sie passen eindeutig nicht auf eine Instagram-Kachel. Verkürzungen und Zuspitzungen führen zu noch mehr Polarisierung und Spaltung. Ich kann das nicht mehr sehen und ich will kein Teil davon sein.
Mehr Fragen als Antworten
Ich will gerade weder provokant noch witzig sein. Ich habe mehr Fragen als Antworten. Am liebsten würde ich mich mit einem Stapel Bücher zurückziehen. Lesen, nachdenken, mich mit Genoss*innen austauschen, die gerade ebenfalls auf der Suche nach Orientierung sind. Mir ist klar, dass das Eskapismus ist. Und dafür haben wir keine Zeit. Wenn „nie wieder“ jetzt ist, dann ist jetzt Zeit zu handeln und nicht zum Lesen.
Ich halte es auch nicht für das richtige politische Klima, um Zeitungsspalten mit Befindlichkeiten zu füllen. Und doch nimmt persönliche Überforderung, Angst, Wut, Müdigkeit einen großen Platz in mir ein. Diese Überforderung und all die Gefühle sind politisch, denn sie sind ganz klar keine Hormonsache oder etwas, das sich therapieren lässt, sondern den äußeren Umständen geschuldet.
In dieser Stadt der Zugezogenen, in einem interkulturellen und internationalen Kulturbetrieb tätig zu sein bedeutet, dass die Krisen dieser Welt sehr nahe kommen. Kriege in der Ukraine, dem nahen Osten oder dem Sudan, Repressionen im Iran, Erdbeben in der Türkei und Hochwasser im Ahrtal betreffen meinen Freundeskreis. Antisemitische Übergriffe finden direkt vor meiner Haustür statt. Es fällt mir schwer, Worte zu finden, die den öffentlichen Diskurs weiterbringen, und gleichzeitig ganz persönlich zu trösten und zu helfen. Es verschlägt mir die Sprache.
Geschreibsel von Schreibenden, die sich darüber aufregen, dass sie was schreiben müssen, ist nervig zu lesen. Ich höre deshalb an dieser Stelle auf zu jammern. Vielleicht fühlt es sich auch nur merkwürdig an zu arbeiten, während andere meine Deportation planen. Also falls ihr das hier lest, während ihr gerade eure Jobs nicht richtig machen könnt: I feel you.
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