Schlussstrich unter Nordbank-Debakel: „Ein Milliarden-Verlust“

Der Abwicklung der Nordbank-Überbleibsel steht vor dem Abschluss. Hamburg und Schleswig-Holstein bleiben auf Milliarden-Schulden sitzen.

Das Gebäude der HSH Nordbank spiegelt sich im Wasser des Kleinen Kiel.

Vergangene Größe: Auch das Nordbank-Gebäude am Kleinen Kiel wurde im Zuge der Sanierung verkauft Foto: Frank Molter / dpa

HAMBURG taz | Die Meldungen der vergangenen Woche klangen fast überschwänglich: Die von Hamburg und Schleswig -Holstein gegründete Abwicklungsanstalt für die faulen Kredite der HSH Nordbank kündigte am 22. Februar den Verkauf des letzten großen Pakets aus Krediten für 56 Schiffe an – für rund eine halbe Milliarde Euro, wobei den Managern der „Bad Bank“ der weltweite Boom der Frachtschifffahrt in die Hände spielte. Insgesamt dürfte die Abwicklungsanstalt seit ihrer Gründung schätzungsweise eine Milliarde Euro erlöst haben und ihren Betrieb gegen alle Erwartungen mit einem positiven Eigenkapital abschließen.

Doch es geht dabei nur um einen kleinen Teil der ehemaligen Landesbank. Insgesamt werden Staat und Bürger das Nachsehen haben. Mit dem Verkauf der HSH Nordbank an US-Investoren für eine Milliarde Euro hatten Hamburg und Schleswig-Holstein 2018 nach ihren Angaben Altlasten in Höhe von insgesamt etwa zehn Milliarden Euro.

Im August soll endgültig der Schlussstrich unter die Geschichte aus Gier und verantwortungslosem Handeln von Topmanagern, Politikern und Gewerkschaftern im Aufsichtsrat gezogen werden. Doch die Irrfahrt geht weiter, bedauert Hamburgs sozialdemokratischer Finanzsenator Andreas Dressel: „Es bleibt ein Milliarden-Verlust, den die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch über Jahrzehnte abzahlen müssen.“

Bis zur Finanzkrise 2007/2008 hatte die Landesbank ein großes und, wie sich zeigen sollte, spekulatives Rad gedreht. Nach dem Vorbild der privaten Großbanken legte die HSH Nordbank ihr Geld unter anderem in dubiosen Steueroasen und riskanten Wertpapieren an. Jahrelang füllte das gewagte Investmentgeschäft die Staatskassen an Alster und Förde mit dreistelligen Millionenbeträgen. Am Ende ging der weltgrößte Schiffsfinanzier unter.

Andreas Dressel (SPD), Hamburgs Finanzsenator

„Es bleibt ein Milliarden-Verlust, den die Steuer­zahler:innen noch über Jahrzehnte abzahlen müssen“

Statt des Börsengangs folgten im Schnelldurchgang Rettungskonzepte, Vorstandswechsel und Milliardenhilfen von den Landesregierungen. Auch andere deutsche Landesbanken hatten sich verzockt. Doch während die Regierungen in Hannover, München und Stuttgart ihre öffentlichen Zockerbuden retten konnten, endete die Nordbank in Pleiten, Pech und Pannen. Es folgten staatsanwaltliche Ermittlungen, Prozesse wegen Bilanzmanipulationen und parlamentarische Untersuchungsausschüsse.

In der Spitze verfügte die HSH einmal über eine Bilanzsumme von 208 Milliarden Euro und beschäftigte 5.070 Menschen. Statt die Nordbank einfach untergehen zu lassen, wie es sogar linke Ökonomen gefordert hatten, halfen die Länder zwei Mal mit Milliarden aus. Wegen dieser Staatshilfen musste die Bank auf Direktive der EU-Kommission bis März 2018 abgewickelt oder verkauft werden. Am Ende wussten sich der damalige Bürgermeister Olaf Scholz und sein damaliger Finanzsenator und spätere Nachfolger, Peter ­Tschentscher (beide SPD), nicht anders als durch eine Privatisierung zu helfen.

Und diese wurde kostspielig, auch für eines der ärmsten Bundesländer. Schleswig-Holstein musste seinerzeit mit einem Etat von rund zehn Milliarden Euro auskommen. Federführend in Kiel war Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). Ministerpräsident damals wie heute: Daniel Günther (CDU).

Unterm Strich könnte das Minus für die Länder schätzungsweise zwölf Milliarden Euro betragen. Die Summe setzt sich zusammen aus dem nachgeschossenen Eigenkapital und dem Verlust aus der Abwicklung. Der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch (Linke) taxiert den damaligen Wert der Bank auf sechs Milliarden Euro, während die Länder nur eine Milliarde erlösten. „Eine genaue Abrechnung fordern wir vom Senat“, sagte Hackbusch der taz. Er war seinerzeit maßgeblich an der Aufarbeitung des HSH-Skandals beteiligt.

Die Investoren profitieren von der Übernahme

Übernommen haben die HSH-Kernbank amerikanische Finanzinvestoren um Christopher Flowers. Der ehemalige Goldman-Sachs-Partner Flowers hat im Hinblick auf einen geplanten Börsengang bereits 2006 eine Beteiligung an der Staatsbank erworben. Damit war erstmals in Deutschland ein Finanzinvestor Eigentümer an einer öffentlich-rechtlichen Landesbank geworden.

Die Übernahme dürfte sich für die Investoren auszahlen. Zum 1. Januar gelang sogar der nahtlose Übergang in die Einlagensicherung der privaten Banken. Mit einem Gewinn nach Steuern von 351 Millionen Euro übertraf die deutlich geschrumpfte Bank 2021 – nun als Hamburg Commercial Bank AG (HCOB) – alle Prognosen.

„Wir haben die Bank in den vergangenen drei Jahren zielstrebig und schneller als ursprünglich geplant restrukturiert und mit exzellenten Finanzkennzahlen abgeschlossen“, sagte Vorstandsvorsitzender Stefan Ermisch. Mit einer Eigenkapitalrendite von 18,4 Prozent dürfte die HCOB mit ihren rund 900 Beschäftigten nun eine der profitabelsten Banken Deutschlands sein.

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