HSH-Nordbank vor Gericht in Hamburg: Banker kaufen sich frei
Das Verfahren gegen fünf Ex-Vorständen der HSH Nordbank wird gegen Geldauflagen eingestellt. Der sechste will das Revisionsverfahren durchziehen.
Die sechs Manager sind angekIagt, 2007 kurz vor Ausbruch der weltweiten Finanzkrise ein verlustreiches und unnötiges Kreislaufgeschäft abgezeichnet zu haben, ohne es ernsthaft zu prüfen. Dem Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher sowie dem Kapitalmarktvorstand warf die Staatsanwaltschaft außerdem vor, zu Beginn des Krisenjahres 2008 die Bilanz um gut 100 Millionen Euro geschönt zu haben.
Mit der Anklage des kompletten damaligen Nordbank-Vorstands kam pars pro toto das fahrlässige Geschäftsgebaren der deutschen Landesbanken vor der Finanzkrise vor Gericht. Anfang 2008 gehörte die HSH Nordbank zum größten Teil den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein, die sie an die Börse bringen wollten.
Mit der Garantie der Länder im Rücken investierte die Bank riesige Summen auf dem internationalen Kapitalmarkt – in komplizierte Finanzprodukte, deren Risiken die Nordbanker unterschätzten. Die Landesregierungen zogen mit, denn die Bank steuerte, solange es gut lief, satte Gewinne zu ihren Haushalten bei.
Milliardenschwere Kapitalspritzen
Zudem rühmte sich die Bank, der größte Schiffsfinanzierer der Welt zu sein. Das fiel ihr auf die Füße, als aus der Finanz- eine Wirtschaftskrise wurde und sich herausstellte, dass es große Überkapazitäten an Schiffsraum gab.
Beides zusammen bedrohte die Bank in ihrer Existenz. Hamburg und Schleswig-Holstein retteten sie mit milliardenschweren Kapitalspritzen und verkauften sie im Jahr 2018. Für die Steuerzahler entstand ein Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro.
Vor Gericht verhandelt wurde ein Kreislaufgeschäft namens Omega 55, mit dem sich die Nordbank Risiken von der französischen Großbank BNP Parisbas abnehmen ließ und sie hintenrum wieder übernahm. Das Geschäft sei sinnlos gewesen, sagte Richter Marc Tully vom Oberlandesgericht in seiner Urteilsbegründung 2014.„Den Kosten stand keinerlei Nutzen gegenüber.“ Insbesondere sei das Geschäft ungeeignet gewesen, das Eigenkapital zu stärken, wie ursprünglich angepeilt.
Dass die Vorstände das Geschäft abzeichneten, ohne dass sie es anhand der vorgelegten Unterlagen beurteilen konnten, wertete das Oberlandesgericht zwar als Pflichtverletzung, diese sei aber nicht gewichtig genug gewesen, um eine strafrechtliche Verurteilung zu rechtfertigen. Und die gut 100 Millionen Euro Bilanzkorrektur seien angesichts des Geschäftsvolumens der Bank von untergeordneter Bedeutung gewesen.
Der Bundesgerichtshof sah das anders und kassierte den Freispruch: Wie gravierend die Versäumnisse der Vorstände gewesen seien, habe das Hanseatische Oberlandesgericht nicht ausreichend untersucht. Es verwies die Sache zurück ans Hamburger Landgericht, das den Prozess jetzt für den sechsten Angeklagten R. neu aufrollen muss.
Aufarbeitung gefordert
Das Angebot, sich mit Geldauflagen aus der Affäre zu ziehen, das die übrigen Vorstände annahmen, hält das Landgericht für gerechtfertigt; denn damit werde „dem bestehenden öffentlichen Strafverfolgungsinteresse ausreichend genüge getan“. Die Strafen seien für die Angeklagten deutlich spürbar.
Im Übrigen hätten diese sich nicht selbst bereichert und seien nicht vorbestraft. Die zu erwartende weitere Aufklärung, so die Gerichtspressestelle, falle „nicht mehr erheblich ins Gewicht“.
Anders sieht das Die Linke. Besonders das öffentliche Interesse an der Aufarbeitung sei nicht befriedigt, findet der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch. Die Rechnungshöfe hätten sich des Skandals nicht angenommen. Stattdessen gab es parlamentarische Untersuchungsauschüsse. Und die geforderten Zahlungen seien „angesichts des angerichteten Schadens lächerlich“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt