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Schließungen bei Karstadt Kaufhof„Das ist Drama, Drama, Drama“

Erika Ritter von Verdi über die angekündigte Schließung der Warenhäuser. Für die Beschäftigten gibt es nur anderthalb Monatsgehälter Abfindung.

Droht abgebaut zu werden Foto: dpa
Erik Peter
Interview von Erik Peter

taz: Frau Ritter, in Berlin sollen sechs Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof geschlossen werden. Ist diese Entscheidung endgültig?

Erika Ritter: Im Unterschied zu üblichen Kürzungsplänen ist diese nicht gewollt und soll dazu dienen, dass nicht der ganze Betrieb über die Wupper geht. Entsprechend ist es auch noch möglich, etwas zu bewegen. Die Schließungen sind zu einem guten Teil auf erdrückende Mietverträge zurückzuführen. Viele Häuser wurden einst unter dem damaligen Konzernchef Thomas Middelhoff verscherbelt und dann zu exorbitanten Konditionen zurückgemietet. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mietverträge in Ordnung kommen. Die Vermieter stehen vor der Entscheidung: faire Miete oder keine Miete.

Im Interview: Erika Ritter

ist seit 2007 Fachbereichsleiterin Handel bei Ver.di Berlin/Brandenburg.

Geht es nur um die Mietverhältnisse, oder spielt Corona auch eine Rolle?

Der Konzern ist schon länger in der Krise und finanziell nicht üppig ausgestattet. Corona hat die Situation verschärft. Ab dem 18. März waren sämtliche Filialen stillgelegt und die Umsätze damit quasi auf null. Weil die Mieten und sonstigen Kosten weitergezahlt werden mussten, ging das an die Liquidität.

Wie vielen MitarbeiterInnen droht Jobverlust?

In Berlin arbeiten 1.851 MitarbeiterInnen in den Warenhäusern, den Feinkostabteilungen, der Gastronomie, den Reisebüros usw. Von den Plänen sind etwa 1.000 KollegInnen betroffen. Das ist ein Kahlschlag. Da sind noch nicht jene mitgezählt, die in den extern vermieten Flächen der Warenhäuser arbeiten.

Wie geht es für die Betroffenen weiter?

Es gibt einen Sozialplan, der unter den Bedingungen des Insolvenzrechts vereinbart wurde. Betroffene KollegInnen erhalten anderthalb Monatsgehälter brutto als Abfindung. Das reicht hinten und vorne nicht. Es wird eine Transfergesellschaft geben. Da muss der ­Eigentümer Geld hinzugeben. Für mindestens sechs Monate sollen die KollegInnen da aufgefangen und für Anschlussjobs qualifiziert werden, am besten bis Corona vorbei ist. Aber es wird schwierig, die MitarbeiterInnen zu vermitteln. Ihr Durchschnittsalter liegt bei Mitte 50.

Gibt es Jobs im Einzelhandel?

Momentan gar nicht. Der Markt ist extrem leer. Die Pandemie hat viele der Non-Food-Händler in Bedrängnis gebracht, viele MitarbeiterInnen sind in Kurzarbeit. Das Einzige, was brummt, ist der Lebensmittelhandel. Die suchen aber Servicekräfte, die an der Theke bedienen – das können die Warenhäusler aber in der Regel gar nicht.

Was fordern Sie vom Staat?

In erster Linie wollen wir natürlich so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten. Für jene, die man nicht halten kann, braucht es Angebote zur Betreuung durch die Arbeitsagentur. Der Staat kann sich darüber hinaus finanziell an der Transfergesellschaft beteiligen. Der Senat will zudem prüfen, ob man baurechtlich bei den Filialen etwas machen kann. Einige stehen unter Denkmalschutz. Womöglich könnte aber die Nutzung einer Dachterrasse als Restaurant oder die Teilnutzung der Häuser durch andere Gewerbe auch helfen.

Von Verdi hieß es, es hätte noch schlimmer kommen können. Wirklich?

Bundesweit standen 80 Filialen auf der Abschussliste, jetzt sind es 62. Aber 6 von 11 Fi­lia­len in Berlin und eine geplante, die nicht eröffnen soll, ist ein extrem harter Brocken. Das ist Drama, Drama, Drama.

Wie ist die Situation für die verbliebenen Beschäftigten?

Wir haben erreicht, dass nicht auch noch 10 Prozent der Beschäftigten in den weiterbestehenden Filialen entlassen werden und keine weiteren Bereiche ausgegliedert werden. Das ist ein wichtiger Erfolg für die KollegInnen. Zudem ist im Tarifvertrag vereinbart, dass sie an der Ausarbeitung eines Zukunftskonzepts für gute und gesunde Arbeit beteiligt werden. Das trägt das Potenzial, aus dem seit Jahrzehnten darbenden Warenhaus etwas Lebendiges zu machen.

So wie der geplante Neubau am Hermannplatz?

Ich bin nicht gegen das Projekt. Warenhäuser mit dem Charme der 1970er Jahre haben keine Zukunft. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass jetzt Tausende ihre Jobs verlieren. Also ­müssen wir schauen, ob man Eigentümer Benko anhand dieser Pläne an seine moralische und soziale Verantwortung erinnern kann.

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