piwik no script img

Schlafkranke Studentin in DresdenDie Uni macht Druck

Die TU Dresden will von einer schlafkranken Studentin Detailinformationen zu ihrer Krankheit. Sonst droht ihr der Ausschluss von der Prüfung.

Nicht immer sind müde Studenten einfach nur müde Bild: getty images

DRESDEN taz | Prüfung verschlafen? Claudia (Name geändert) passiert das zuweilen. Die Studentin der Wirtschaftswissenschaften an der TU Dresden leidet an einer „Idiopathischen Hypersomnie“, einer chronischen Schlafkrankheit, und bekommt deswegen Ärger mit dem Prüfungsausschuss ihrer Fakultät.

Schon in ihrer Jugend wurden die überlangen Schlafphasen an der Charité Berlin diagnostiziert. Zwei Jahre ist sie trotz ihres Handicaps ganz gut durchs Studium gekommen. „Obwohl ich viel weniger Zeit zum Lernen als andere habe.“ Nur zwei Prüfungen hat sie krankheitsbedingt versäumt.

Verpasst eine StudentIn eine Prüfung, muss sie Gründe angeben und einen Antrag auf Wiederholung beim Prüfungsausschuss einreichen. Sonst gilt die Prüfung als nicht bestanden. Claudia hat in diesem Jahr nochmals zwei Bescheinigungen eines Allgemeinmediziners und eines psychiatrischen Facharztes eingeholt. Sie gilt demnach als zu 30 Prozent behindert.

Als sie nach der letzten versäumten Prüfung den Antrag auf Wiederholung infolge der Krankheit einreichte, genehmigte der Prüfungsausschuss diesen zwar noch einmal. Für künftige Entscheidungsfälle aber wird ein erneutes „qualifiziertes Attest“ vom Facharzt verlangt, das unter anderem erklären soll, wie sich die Erkrankung auf ihre Leistungsfähigkeit auswirkte.

Der Prüfungsausschuss verweist auf die Bundesprüfungsordnung, die nur eine vorübergehende Prüfungsunfähigkeit anerkennt. Dauerleiden könnten grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Mit deren Folgen „muss der Studierende auch späterhin im Berufsleben ohne mögliche Ausgleichsmaßnahmen zurechtkommen“, heißt es im Antwortschreiben der Fakultät.

Zweifel des Studentenrats

Claudia empört diese Haltung. Sie fühle sich dem Studium an sich gewachsen, zumal die Grenzen zwischen chronischen und akuten Symptomen fließend seien. Gleiches gelte beispielsweise für Allergiker. Eine Anwältin, die sie konsultiert hat, sieht in dem Fall auch einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Artikel 3 des Grundgesetzes.

Claudia vermutet, dass ihr Facharzt gar nicht auf die TU-Forderung eingeht. Denn im Berufsleben dürfte sich ein Arbeitgeber auch nicht für Krankheitsdetails seiner Beschäftigten interessieren. Auch der Studentenrat der TU Dresden hat Zweifel, ob mit dem seit einiger Zeit eingeführten Krankmeldungsformular der Datenschutz gewährleistet ist.

Universitätssprecherin Kim-Astrid Magister meinte, für behinderte Studenten an der TU – ihr Anteil beträgt etwa 3 Prozent – werde das Mögliche getan. Nach Rücksprache mit der Fakultät habe sie den Eindruck, dass man der Studentin helfen und ihr eine erneute Chance geben wolle. Sie verweist allerdings auf die geltende Rechtslage, an der sich das Schreiben des Prüfungsausschusses orientiere.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Eine langjährige Bekannte von mir hat diese Schlafkrankheit. Da es ihr peinlich war, wie vielen die das haben, hatte ich mich bevor ich es erfuhr immer gewundert, dass sie z.B. eben noch mit mir redete und auf einen Schlag eingeschlafen war. Das kam hin und wieder vor. Es ist für die Menschen mit Schlafkrankheit unkontrollierbar. Es passiert einfach und hat nichts mit dem Lebensstil oder Unausgeschlafenheit zu tun. So stehen die Menschen unter einem unglaublichen Druck. Gerade in der Arbeit haben sie Angst einzuschlafen. Sicher ist es für die Außenwelt auch schwer sich auf so etwas einzustellen.

    Eine Uni muss ja auch gleiche Maßstäbe für alle ansetzen usw. Meiner Bekannten hat es damals unglaublich gut getan, als sie dann aufhörte es zu verschweigen und offen damit umzuging, da die Umwelt sich dann eher darauf einstellt. Eine Uni sollte sich darauf einstellen und Verständnis zeigen. Dazu kann man noch sagen: diese Menschen brauchen teils Jahre um überhaupt zu verstehen, dass sie eine Schlafkrankheit haben. In der Schule waren sie vielleicht die, die pennten und Lehrer dachten, aus Desinteresse, unausgeschlafen usw., später lernen sie dann einen Beruf, machen sogar einen Führerschein (meine Bekannte gab ihn dann ab) bis sie irgendwann überhaupt erfahren was mit ihnen los ist. Die Krankheit ist auch relativ unerforscht, auch in Bezug auf Behandlung.

    • @fornax [alias flex/alias flux]:

      An dem Beispiel meiner Bekannten kann man auch sehen, wie sowas oft läuft. In ihrer Kindheit und Jugend, andere Kinder, die Lehrer, einfach die Mitmenschen, später im Berufsleben usw., viele hatten ihr geraten, endlich mal auszuschlafen, nicht so oft einen Drauf zu machen, ob zuhause alles in Ordnung sei usw. Vielfach auch: mit der stimmt was nicht, Hänseleien usw. Die Menschen leben dann mit Vorwürfen, ernten Unverständnis, Kichereien und wissen teils selbst nicht was los ist, ob mit ihnen alles "richtig" ist usw.

      Die Gute ( meine Bekannte) war schon über 30 als ihr ein Arzt, nachdem sie Jahre bei vielen Ärzten war die nichts rausfanden, mitteilte dass sie die Schlafkrankheit hat.

       

      Ein Rollstuhlfahrer braucht entsprechende Rampen um mobil sein zu können. Ein Mensch mit Schlafkrankheit braucht eben andere Dinge, die es ihm ermöglichen sich zurecht zu finden. Eine Uni, wo gebildete Menschen mit breiterem Horizont sein sollten, sollte sich auf sowas einstellen.

  • D
    D.J.

    Ich kenne die Problematik in ähnlicher Weise gut. So tauchen in meinem Fach gern Leute mit echter Schreibschwäche auf. Problem - Fach ist sehr stark sprachorientiert. Ich versuche alles in Richtung Nachteilsausgleich, d.h. ich werte mündliche Leistungen dann stärker. Ich frage ich aber nach dem Sinn in Richtung Nachhaltigkeit. Solche Rücksichtnahmen gäbe es dann im Beruf kaum. Kann es oft auch nicht geben. So kann eben auch ein stark Kurzsichtiger wie ich alles Mögliche werden, aber z.b. kein Pilot. Und jemand mit Schreibschwäche kann nicht in einem sprachlastigen Beruf arbeiten.

  • 4G
    4463 (Profil gelöscht)

    Das Prüfungsamt besteht oft aus Menschen, die keine Nachsicht zeigen können, sich nicht auskennen oder Leuten eine reinwürgen wollen. Ich hab selbst einige Male Ärger mit dem Prüfungsamt gehabt, wegen Kleinigkeiten. Wieso müssen wir Studenten so stark kontrolliert werden? Ich will nicht noch 5 Jahre Schule.