Schlachterei pfeifft auf Tierschutz: Aufnahmen decken Qualen auf
In einer Landschlachterei in Schleswig-Holstein wurden Tiere gequält. Die angeordnete Schließung ist ein Verdienst der Organisation Soko Tierschutz.
Die Landschlachterei Horn in der kleinen Ortschaft Flintbek im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist seit Ende Juli geschlossen. Dafür gesorgt hat die Münchener Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz. Mit Videoaufnahmen, verdeckt gefilmt von Anfang Mai bis Anfang Juli, hatte sie Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nachgewiesen. Sie stellte Strafanzeige bei der Kieler Staatsanwaltschaft. Sofort nach Sichtung des Videomaterials griff Manuela Freitag, Leiterin des Veterinäramtes des Kreises, durch: Sie schloss den Betrieb, mit Polizeibegleitung ließ sie ihn versiegeln.
„Das Video war für mich ein Schock“, sagt Freitag der taz. „Diese Rohheit gegenüber dem Mitgeschöpf ist erschütternd. Man mag sich kaum vorstellen, wie viele Tiere da in der Vergangenheit gelitten haben.“ Inzwischen hat sie dem Schlachtereibetreiber auch die Zulassung entzogen.
„Das war ein Bild absoluter Verrohung“, sagt auch Friedrich Mülln, Vorsitzender der Soko Tierschutz, der taz. „Und den Mitarbeitern dort war völlig bewusst, was sie tun.“ Freitags schnelle Reaktion freut ihn: „So rasch ist noch nie ein Schlachthof geschlossen worden!“ Ein Großhändler in Hamburg sei dessen Abnehmer gewesen, sagt Mülln. „Und Asia-Restaurants, Dönerbuden. Die Gastronomie ist oft wie ein schwarzes Loch. Da wird nicht genau hingeschaut, außer auf den Preis.“
Verdacht auf Krankschlachtungen
In Müllns Strafanzeige ist von Fehlbetäubungen durch unpräzise Bolzenschüsse die Rede, von unsachgemäßer Fixierung der Tiere, von rechtswidrigen Stichen ins Genick, direkt nach dem Entblutungsstich, die den Tieren „jede Chance auf Widerstand“ nehmen.
Tiere hätten „die Höllenschmerzen des Kehlschnittes und des Ausblutens sowie weiterer zu früh durchgeführter Schlachtschritte bei Bewusstsein und Empfindungsfähigkeit“ erlitten. Tiere seien geprügelt und gestoßen worden. Es bestehe der Verdacht auf rechtswidrige Krankschlachtungen.
Das Familienunternehmen Horn hat sich als kleiner Handwerksschlachter verkauft, bei dem alles in Ordnung ist. Nun ist es ein Fall für die Justiz: „Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen und diese dauern an“, bestätigt der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler. Neben tierschutzrechtlichen würden „selbstverständlich auch mögliche lebensmittelrechtliche Verstöße geprüft“.
Mülln ist besonders über das Versagen der örtlichen Veterinärkontrollen entsetzt. „Zustände wie die bei Horn, einem Betrieb mit nur zwei Räumen, können doch niemandem entgehen.“ Aber er hat eine Erklärung: „Bei vielen kleineren Betrieben kommen TierärztInnen zum Einsatz, deren Praxis nicht so gut läuft.“ Ohne finanzielle Not würde niemand gern Schlachtereien kontrollieren wollen, meint Mülln.
Sytematisches Problem der Kontrollen
„Und wenn dieselbe Person den Schlachthof dann über einen langen Zeitraum hinweg betreut, entwickelt sich ein Näheverhältnis – man kennt sich, unterhält sich über Privates, wird unkritischer. Und wer schließt schon einen Schlachthof, an dem er Geld verdient?“ Es sei, so heißt es in Müllns Strafanzeige, „sehr fraglich, inwiefern in diesem Betrieb eine reguläre Lebendbeschau und Fleischbeschau stattgefunden hat“.
Dabei ist die Flintbeker Landschlachterei kein Einzelfall. Ein Dutzend Schlachthöfe wurden nach Soko-Recherchen schon geschlossen. Nach Müllns Ansicht sind solche Zustände Ausdruck eines systemischen Problems der Kontrollen.
„Wir hatten keine Kenntnisse über die tierschutzwidrigen Schlachtungen“, sagt Veterinärin Freitag, die zugleich den Vorwurf des Behördenversagens zurückweist. „Der Betrieb wurde durch uns regelmäßig mit angekündigten und unangekündigten Kontrollen überprüft. Die festgestellten Mängel wurden schriftlich fixiert und mit Fristsetzung deren Beseitigung gefordert. Die Mängelbeseitigung wurde anschließend erneut überprüft.“
Die Mittel, die Müllns Soko verwendet hat, stehen Freitag nicht zur Verfügung. „Wenn der Rechtsstaat nur bestimmte Instrumente für behördliches Handeln zulässt“, sagt sie, „muss er aushalten, dass derart grausame Dinge von den Behörden nicht aufgedeckt werden können.“
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