Schienengipfel der Bundesregierung: Nicht mehr als eine Vision
Bundesverkehrsminister Scheuer will einen europaweiten Takt für den Bahnverkehr. Dabei fehlen noch die nötigen Voraussetzungen in Deutschland.
![ein Regionalexpress der Deutschen Bahn steht im Berliner Hauptbahnhof ein Regionalexpress der Deutschen Bahn steht im Berliner Hauptbahnhof](https://taz.de/picture/4858688/14/Deutsche-Bahn-Andreas-Scheuer-Deutschlandtakt-Reisen-Bahnverkehr-Bahn-1.jpeg)
Die Bahnpolitik dürfe nicht den zweiten vor dem ersten Schritt gehen, kritisiert die Allianz pro Schiene. Dem Bündnis gehören mehr als 20 Umweltverbände, Organisationen und Gewerkschaften an, die 2,65 Millionen Mitglieder repräsentieren. Ohne einen funktionierenden Deutschlandtakt sei ein Europatakt nicht denkbar, kritisiert das Bündnis. Doch dafür unternehme die Bundesregierung zu wenig.
Der Hintergrund: An diesem Montag findet zum dritten Mal der Schienengipfel mit Akteur:innen aus der Bahnbranche statt, zu dem Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingeladen hat. Beim Schienengipfel im Juni 2020 haben Minister und Branche einen Pakt geschlossen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die politisch gewollte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 erreicht werden kann.
Dieses Mal geht es um die europäische Perspektive des Bahnverkehrs und die Rolle Deutschlands als Transitland. Erstmals wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Schienengipfel sprechen. Zu Beginn der Veranstaltung wird eine Absichtserklärung für die Wiederbelebung des Schnellzugs TEE unterzeichnet, der zwischen den 1950ern und den 80ern europäische Metropolen verband. Bekanntgegeben werden soll auch ein Abkommen zum Ausbau der Verbindung Berlin–Prag–Wien zwischen Deutschland, Tschechien und Österreich, mit dem erste Schritte zur Umsetzung des TEE-Projekts in Gang kommen sollen.
Kein Fahrplan für Einführung des Deutschlandtakts
Außerdem wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Strategien und Maßnahmen für die Bahn im Zuge des European Green Deal vorstellen. Die Kommission und das EU-Parlament haben 2021 zum Europäischen Jahr der Schiene erklärt. Außer einer beschlossenen Verschlechterung der Fahrgastrechte ist bislang auf europäischer Ebene allerdings noch nichts passiert. Künftig sollen Reisende keine Entschädigung mehr erhalten, wenn Züge wegen höherer Gewalt eine gravierende Verspätung haben.
Die virtuelle Veranstaltung am Montag steht unter dem Motto „Deutschlandtakt trifft auf Europatakt“. Der Begriff „Deutschlandtakt“ bezeichnet einen für die gesamte Bundesrepublik aufeinander abgestimmten Fahrplan mit häufigen regelmäßigen Verbindungen zwischen Großstädten und reibungslosen Anschlüssen in die Regionen. Dieser – von der Realisierung in Deutschland weit entfernte – Takt soll nach dem Willen von Bundesverkehrsminister Scheuer perspektivisch in ganz Europa realisiert werden.
Die Vision vom Europatakt sei sehr zu begrüßen, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene im Vorfeld des Gipfels. „Der Europatakt steht für einen aktiven Klimaschutz in einer EU, in der viele Flüge durch ein attraktives Angebot auf der Schiene überflüssig werden“, betonte er. „Wir haben aber noch nicht einmal den Deutschlandtakt.“ Bislang habe die Bundesregierung die Umsetzung des Vorhabens in einzelnen Etappen noch nicht verbindlich auf den Weg gebracht. „Ohne einen funktionierenden Deutschlandtakt als Fundament kann es mit einem Europatakt nichts werden“, sagte er.
Kritik am Schienengipfel kommt auch aus der Opposition. „Ein Schienengipfel ist bitter nötig, aber es muss endlich entschieden gehandelt werden“, sagte der Abgeordnete der Linken Victor Perli, Mitberichterstatter für das Bundesverkehrsministerium im Haushaltsausschuss. Im vergangenen Jahr sei kein einziger neuer Kilometer Schiene gebaut worden und die Zahl der Gleisanschlüsse weiter gesunken.
Noch immer hätten selbst mittelgroße Städte keinen Anschluss an den Fernverkehr. „Viel Geld fließt nur in Mega-Projekte wie Stuttgart 21 und auch der Deutschlandtakt geht vor allem in diese Richtung“, sagte er. Solange die Bahn nicht stärker auf den Ausbau in der Fläche und ihr Kerngeschäft in Deutschland verpflichtet werde, werde sich an den Problemen im Bahnverkehr nichts ändern. Die Deutsche Bahn hat in der Vergangenheit weltweit expandiert. Vor allem deshalb trifft sie die Coronakrise finanziell sehr hart.
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