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Scheinselbständigkeit bei Daimler„Wir sehen uns nicht als Täter“

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Autokonzern und MBtech wurden eingestellt. Die Firmen zahlen 9,5 Millionen Euro Gewinnabschöpfung dafür.

Erste Maßnahme gegen Scheinselbständigkeit: Ab jetzt fährt Daimler-Chef Dieter Zetsche die Autos selbst. Foto: dpa

Frankfurt rtr | Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat die Ermittlungen gegen Daimler und seine frühere Tochter MBtech wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen für Testfahrer eingestellt. Der Autohersteller habe eine Gewinnabschöpfung von 9,5 Millionen Euro akzeptiert und belegt, dass solchen Verstößen durch bessere Überwachung der Dienstleister vorgebeugt werde, erklärte die Staatsanwaltschaft am Montag. Deshalb sei das Ermittlungsverfahren wegen geringer Schuld eingestellt worden. Hintergrund ist die 2012 bekannt gewordene Beschäftigung von Testfahrern bei Subunternehmen zu Dumpinglöhnen.

Daimler und MBtech leisten die Ausgleichszahlung für den wirtschaftlichen Vorteil, der ihnen durch den Gesetzesverstoß ihrer Dienstleister entstanden ist, je zur Hälfte. Beide Unternehmen hatten Ende 2014 die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge, die die Subunternehmen nicht geleistet hatten, freiwillig gezahlt. „Wir sehen uns nicht als Täter“, sagte eine Daimler-Sprecherin. Zur Höhe der Nachzahlung an die Deutsche Rentenversicherung und die Zahl der betroffenen Testfahrer wollte sie keine Angaben machen.

Daimler wurde vor drei Jahren auch wegen anderer Fälle vorgeworfen, über Werkverträge Lohnkosten zu drücken. Seither hat der stark wachsende Autobauer viele Beschäftigte mit Werkvertrag als Leiharbeiter übernommen. Daimler verpflichtete zudem externe Dienstleister dazu, zumindest den niedrigsten Tariflohn der jeweiligen Branche zu zahlen. Der Betriebsrat hatte vergebens gefordert, den höheren Tarif der Metall- und Elektroindustrie zu zahlen.

Der Streit über die Bezahlung von Werkvertragsbeschäftigten schwelt zwischen Arbeitgebern und der IG Metall seit Jahren. Die Gewerkschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen Dienstleister an den Metalltarif zu binden. Die Unternehmen nutzen Werkverträge, um Kosten zu senken. Beim Werkvertrag kauft das Unternehmen eine Arbeitsleistung unabhängig von der Person ein, bei Leiharbeit werden bestimmte Mitarbeiter zeitweise beschäftigt.

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3 Kommentare

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  • Der Nutzen für die Staatskasse durch die Gewinnabschöpfung ist offensichtlich. Doch was haben die eigentlich Geschädigten davon? Im Kern gar nicht! Und das könnte durch die Hintertür den wirklichen Grund für das juistische Schonen der Firmen offenbaren, nämlich,daß man die Kuh, die man melken will, nicht schlachtet.

  • Einstein hatte recht!

     

    Es scheint tatsächlich alles relativ zu sein. Aus 9,5 Millionen nicht gezahlten Euro SV-Beiträgen wird erst eine "geringe[] Schuld" und dann die reine Unschuld ("Wir sehen uns nicht als Täter"). Im Deutschen kann man offenbar auch rückwärts steigern.

     

    Nun ja. Man muss wohl "Daimler!" denken, wenn man 9,5 Millionen für Peanuts halten will. In meinem Kopf passt beides nicht so recht zusammen. Und Unschuld passt erst recht nicht. Mag sein, das kommt daher, dass ich nicht gern die Kleinen hänge, die Großen aber laufen lasse.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Das ist nicht Zetsche auf dem Foto, sondern sein Avatar, der künftig die selbstfahrenden Mercedesse lenkt, während er höchstselbst auf dieses Vergnügen verzichtet...