Schau zum Robeson-Archiv an Berliner AdK: Eine mächtige Stimme und ihre Resonanz
Die Schau „Every Artist Must Take Sides“ an der Berliner Akademie der Künste verbindet das Archiv von Paul und Eslanda Robeson mit zeitgenössischer Kunst.
„Wir beweisen, (…) dass weder die Erinnerung an die Sklaverei noch ausgeprägte Vorurteile, Selbstachtung und Willenskraft in uns auslöschen werden.“ Schon bei seiner Abschlussrede nach einem prämierten Juraexamen an der Rutgers-Universität trat der Student Paul Robeson 1919 als moralische Instanz des Schwarzen Amerika auf.
Geboren 1898 als Sohn eines Sklaven, der durch die Underground Railroad via Detroit in die Freiheit geschleust wurde, absolvierte er als dritter Schwarzer überhaupt jene Hochschule in New Jersey. Bevor Robeson in den 1920ern als Sänger und Schauspieler Weltruhm erlangte, war er bereits als Anwalt tätig, verließ seine Kanzlei aber aufgrund von Diskriminierung und erhob seine Stimme fortan auf der Bühne.
Sein mächtiger Bariton ist nun in der Ausstellung „Every Artist Must Take Sides“ an der Berliner Akademie der Künste zu hören. Historisches Material an sechs Archivstationen wird dort mit der Gegenwart von zwölf zeitgenössischen künstlerischen Positionen verflochten. Flankiert von Fotos, Schallplatten und Zeitungsartikeln wird ein Mensch in Erinnerung gerufen, der weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Obwohl das Archiv von Paul Robeson und seiner Ehefrau, der Anthropologin Eslanda Robeson, bereits 1965 an der Ostberliner Akademie der Künste landete.
Acht Jahre ohne Pass
In der DDR, die Schwarze Menschen ansonsten meist exotisierte, wurden beide für ihr antifaschistisches Engagement im Spanischen Bürgerkrieg geehrt und für ihre unbeugsame Haltung im Kalten Krieg instrumentalisiert. Denn die US-Behörden entzogen in der antikommunistischen Paranoia der McCarthy-Ära Paul Robeson ab 1950 für acht Jahre den Pass. Deshalb sang er durch eine Telefonleitung, um bei einem Konzert in England präsent zu sein. Er ließ weder nach in seinen Überzeugungen und noch ließ er sich von Gängelungen und Repression bremsen.
„Every Artist Must Take Sides. Resonanzen von Eslanda und Paul Robeson.“ Akademie der Künste Berlin, bis zum 25. Januar 2026.
Jenes große künstlerische und politische Charisma taucht auch in der Videoarbeit „We Are“ der US-Künstlerin Sonya Clark wieder auf. Neben einer Stoffbahn, mit einem Gedicht von Gwendolyn Brooks über Paul Robeson ist eine Tanzperformance der Choreografin Jennifer Harge platziert. Diese tanzt Brooks’ Lyrik auf der Insel Belle Isle nach. Heute ein Detroiter Park, liegt Belle Isle am Detroit River auf der Fluchtroute der entflohenen Sklaven zwischen den USA und Kanada. Sie intensiviere dadurch „die Kommunikation mit den Vorfahren“, sagt Clark über ihr Werk.
Mit dem zeitlebens unkritischen Bekenntnis der Robesons zur stalinistischen Sowjetunion setzt sich wiederum die Arbeit „Nobody Knows the Trouble“ von Lia Dostlieva und Andrii Dostliev auseinander. Während auf der Bild- und Tonebene Proben einer russischen Schulklasse für ihre Inszenierung von William Shakespeares „Othello“ zu sehen sind, (eine Paraderolle von Paul Robeson), werden auf der Textspur Aussagen von Robesons Sohn Paul Jr. über die Reisen der Familie in die Sowjetunion eingeblendet: Freunde von ihnen verschwanden im Terror der 1930er.
„Every Artist Must Take Sides“ gelingt eine Gratwanderung, ideologische Vereinnahmung wird nicht ausgeklammert, das progressive Element wird zugleich betont. Reizvoller und widersprüchlicher kann eine Bewahrung vor dem Vergessen kaum sein.
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