Schadstoffe in der Luft: Strafanzeige gegen Chemiekonzern
Umweltverbände fordern Konsequenzen aus hohen Emissionen des Treibhausgases SF6 im Raum Heilbronn. Baden-Württembergs Umweltministerin ruft nach der EU.
Nach Medienberichten über hohe Emissionen des Treibhausgases Schwefelhexafluorid (SF6) im Raum Heilbronn werden jetzt Umweltorganisationen aktiv. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) stellte Strafanzeige gegen die verantwortlichen Vertreter des Chemiekonzerns Solvay, denn dessen Anlagen am Standort Bad Wimpfen sind der einzige plausible Emittent der nachgewiesenen Schadstoffe. Zuvor hatte bereits das Umweltinstitut München in einer nächtlichen Aktion Bilder mit Rissen auf Tanks der Firma projiziert; dazu den Slogan: „Solvay, noch ganz dicht?“
In der vergangenen Woche waren Luftmessungen der Universität Frankfurt bekannt geworden, die im Taunus zeitweise die höchsten SF6-Konzentrationen unter allen europäischen Stationen ermittelt hatten. Die Spitzenwerte traten jeweils auf, wenn der Wind aus südlichen Richtungen kam – also aus dem Raum Heilbronn. Strömungsmodelle der Wissenschaftler zeigten, dass in der Region um das Werk der Firma Solvay die SF6-Emissionen um den Faktor 500 höher sein müssen als von dem Chemiekonzern angegeben.
Die DUH fordert nun „eine vollständige Transparenz über die in den vergangenen Jahren behördlich stillschweigend akzeptierten erhöhten Freisetzungen des klimaschädlichsten Industriegases“. Um den Ausstoß zu stoppen, sei „notfalls ein Betriebsverbot für die entsprechenden Teile der Industrieanlage“ erforderlich. „Mit unserer Strafanzeige wollen wir zudem die strafrechtliche Aufarbeitung dieser mutmaßlich wissentlichen Klimaschädigung durch die verantwortlichen Manager erreichen“, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
Auch das Umweltinstitut München fordert die baden-württembergische Landesregierung auf, „unverzüglich unabhängige, anlagenspezifische Messungen“ zu veranlassen. Bis alle offenen Fragen geklärt sind, müsse am Standort „ein befristetes Verbot für alle Produktionsvorgänge, die mit SF6 in Verbindung stehen“, veranlasst werden.
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) erklärte daraufhin: „Scharfe Schwerter bis hin zu Eingriffen in den laufenden Betrieb sind momentan nur zulässig bei akuter Gefahr für Umwelt und Gesundheit.“ Zwar schädigten hochwirksame Treibhausgase, wie SF6 „beide Schutzgüter nicht weniger“, räumte sie ein – nur geschehe das „eben mittel- und langfristig“. Um gegen solche langfristigen Gefahren vorgehen zu können, brauche man „bessere Instrumente durch konkretere Regelungen in der EU-F-Gase-Verordnung oder dem Bundesimmissionsschutzrecht“.
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