Scan Cars in Hamburg: Mehr Scan, mehr Geld
Hamburg möchte mit „Scan Cars“ Falschparkende überführen. Davon erhofft sich die Stadt mehr Einnahme, doch die Datenschutzbehörde hat Vorbehalte.
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So oder so ähnlich könnte es auch im kommenden Jahr in Hamburg zugehen, zumindest, wenn es nach den Plänen des Landesbetriebs Verkehr geht, der sich für einen Einsatz dieser digitalen Kontrollsysteme ausspricht.
Die Gleichung lautet: mehr Kontrollen in kürzerer Zeit erlauben eine konsequentere Ahndung von unzulässigem Parken – und das wiederum soll mittelfristig für schneller frei werdende Parkplätze sorgen. Der Landesbetrieb für Verkehr (LBV), eingegliedert in der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende und zuständig für das Parkraummanagement der Stadt, erhofft sich in der Folge weniger Parksuchverkehr. In deutschen Städten beträgt dessen Anteil laut Deutscher Umwelthilfe 30 bis 40 Prozent des gesamten innerstädtischen Verkehrs.
Außerdem würde das Personal des LBV entlastet: Die rund 150 Kontrolleurinnen und Kontrolleure Hamburgs müssten nicht mehr zu Fuß durch die Stadt patrouillieren, neuen Bedarf gäbe dann am Steuer der Kamerawägen. „Das heutige Personal wird weiterhin für das Parkraummanagement benötigt“, sagt Pauline Schröder, die Pressesprecherin des LBV.
Auch der ADAC zeigt sich offen
Nicht nur die Behörde selbst kann der Idee der Scan Cars etwas abgewinnen: Janna Schulte vom Landesverband Nord des Verkehrsclub Deutschlands (VCD) erhofft sich freiere Gehwege: „Wir sehen den größten Vorteil darin, dass die Mitarbeitenden, die jetzt insgesamt das Bewohnerparken kontrollieren, sich dann das Falschparken anschauen, also beispielsweise Leute, die vor abgesenkten Bordsteinen parken und der Weg dann nicht mehr barrierefrei ist“, sagt sie der taz.
Auch beim ADAC kann man sich für die digitalisierte Kontrolle erwärmen, sieht aber noch Klärungsbedarf. „Die Idee klingt gut, aber es braucht gesetzliche Grundlagen“, sagt Christian Hieff vom ADAC Regionalclub Hansa.
Erforderlich ist eine Erlaubnis für Fotos von Kennzeichen im öffentlichen Raum, denn bisher sieht das Bundesverkehrsrecht eine solche Möglichkeit nicht vor – das Vorhaben bewegt sich datenschutzrechtlich noch im Halteverbot. Außerdem müssen die Parkautomaten so eingerichtet werden, dass die Parkenden ihre Autokennzeichen eingeben können. Erst so ist der spätere Abgleich mit einer Datenbank möglich.
Bedenken gegenüber den Scan Cars hat die Datenschutzbehörde der Stadt Hamburg: „Wichtig ist, dass Nichttrefferfälle sofort wieder gelöscht werden und die Erfassungen nicht über eine Digitalisierung der händischen Verkehrsraumkontrolle hinausgehen“, schreibt Martina Coi, die Sprecherin des Datenschutzbeauftragten auf Anfrage der taz. Laut Auskunft des LBV ist die Löschung im Hamburger Gesetzesentwurf bereits festgeschrieben.
In Amsterdam kommt viel Geld in die Stadtkasse
Coi fordert außerdem, dass bei der Erfassung nicht andere Personen wie Radfahrer oder Passanten aufgenommen werden. Letzten Endes sei es eine Abwägungsfrage: „Werden die Daten der Fahrzeuge unabhängig von einem konkreten Verdacht erfasst, werden ihre Halter quasi unter einen Generalverdacht gestellt“, schreibt sie. Durch das Abscannen aller am Fahrbahnrand stehender Fahrzeuge würden auch völlig korrekt parkende Verkehrsteilnehmer erfasst – „und dies nur, um relativ wenige Verkehrssünder zu ermitteln“.
Unterstützung für die Hamburger Initiative kommt aus Berlin, wo 2021 im Grunewald Scan-Fahrzeuge erprobt wurden. Jascha Sallmann vom Bezirksamt Mitte Berlin bescheinigt diesen „sehr gute Ergebnisse“. Nicht zuletzt aus ökonomischer Sicht sind die Scan Cars für die Kommunen vielversprechend: in Amsterdam, wo 14 Scan-Fahrzeuge 160.000 Parkplätze kontrollieren, sind laut der Betreiberfirma Egis innerhalb von neun Jahren 250 Millionen Euro Bußgelder zusammen gekommen.
In Hamburg muss man sich bis zur Einführung der Scan Cars noch etwas gedulden: Der Landesbetrieb für Verkehr hofft, dass die Hamburgische Gesetzesvorlage im Frühjahr 2024 verabschiedet wird.
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