Satire „Triangle of Sadness“ im Kino: „Das ist der Zynismus unserer Zeit“
Im Film „Triangle of Sadness“ treffen Instagram-Models auf Oligarchen. Regisseur Ruben Östlund spricht über sympathische Reiche und Karl Marx.
Der neue Spielfilm des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund führt vom Catwalk über eine Jacht auf eine einsame Insel. Im Mittelpunkt stehen Carl und Yaya, die mit Schönheit reich werden wollen. Echten Reichtum erleben sie auf einer Luxusjacht, wo Waffenhändler, Dotcom-Milliardäre und Oligarchen Spielchen spielen. Bis sie auf einer Südseeinsel stranden. In Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, konfrontiert uns diese Satire über die Dekadenz in der Welt mit Abgründen der Gegenwart.
taz: Herr Östlund, Ihr Film „Triangle of Sadness“ taucht tief ein in die Welt von Schönheit, Reichtum und Fashion. Was hat Sie an der Modeindustrie gereizt?
Ruben Östlund: Mich hat die Idee interessiert, dass Schönheit eine Währung sein kann, mit der man in einer geschlossenen Gesellschaft aufsteigen kann, auch wenn man keine Ausbildung oder kein Geld hat. Wenn man Glück in der genetischen Lotterie hat, kann Schönheit ein Ticket nach oben sein. Für eine Frau sind Sexualität und Schönheit in einem weiteren Sinne eine Währung als für einen Mann. Ich finde es interessant, darüber zu diskutieren, erst recht in einer Post-#MeToo-Welt.
„Triangle of Sadness“. Regie: Ruben Östlund. Mit Harris Dickinson, Charlbi Dean u. a. Schweden/Deutschland/Frankreich/Großbritannien 2022, 150 Min.
Haben Sie denn nach einem besonderen #MeToo-Aspekt gesucht?
Irgendwie schon. Meine Frau ist Modefotografin. Sie erzählte mir, dass männliche Models etwa ein Drittel oder ein Viertel von dem bekommen, was weibliche Models verdienen. Dabei müssen auch sie sich ständig mit mächtigen Männern in der Branche herumschlagen, die mit ihnen ins Bett wollen. Das ist doch ein interessanter Spiegel der #MeToo-Diskussion.
Ihre Hauptfiguren Carl und Yaya arbeiten in der Modebranche und erleben diese Disparitäten. Später streiten sie sich in einem Restaurant um die Rechnung, wobei konservative Stereotype und feministische Forderungen aufeinanderprallen.
Ich wollte, dass es in dem Film um Schönheit als Währung geht, auch wenn es viele andere materialistische Gesichtspunkte gibt. Wenn man sich die Erwartungen an Geschlechterrollen anschaut, dann ist das Bezahlen der Rechnung im Restaurant ein perfektes Beispiel. Trotz feministischer Debatten gibt es stereotype Traditionen, die nicht in Frage gestellt werden. Wie etwa das Aufteilen der Rechnung.
Ist das nicht etwas sehr Deutsches, eine Rechnung aufteilen?
Für mich ist es sehr autobiografisch. Als ich mit „The Square“ in Cannes war, lud ich meine Frau ein, mich zu begleiten. Wir waren damals frisch verliebt, ich wollte sie beeindrucken. Also bezahlte ich am ersten Abend, am zweiten und auch noch am dritten, aber dann hatte ich das Gefühl, dass sie jetzt mal dran wäre. Dankbarerweise sagte sie von sich aus, dass sie die nächste Rechnung übernimmt. Als die dann kam, passierte gar nichts. Nach einer Weile lehnte ich mich ein wenig vor, um einen Blick drauf zu werfen, und sofort sagte sie „Danke Liebling, das ist so lieb von dir.“ Statt sie daran zu erinnern, dass sie zahlen wollte, habe ich bezahlt und innerlich gebebt. Seitdem will ich den Hashtag #IGotBilled für die verschiedenen Formen weiblicher Manipulation in den Umlauf bringen.
Diese Szene findet sich fast 1:1 im Film wieder.
Das Gespräch zwischen Carl und Yaya verläuft etwas anders. Aber ich war damals richtig wütend und habe ihr an den Kopf geworfen, dass ich gleichberechtigt leben will. Sie warf mir vor, ich sei geizig. Da habe ich einen 50-Euro-Schein genommen und ihn in den Fahrstuhlschacht geworfen. Später haben wir darüber gelacht.
Ruben Östlund wurde 1974 im schwedischen Styrsö geboren. Er studierte an der Universität von Göteborg. Sein vierter Spielfilm, „Höhere Gewalt“, gewann 2014 in Cannes in der Sektion „Un Certain Regard“ den Preis der Jury. Für „The Square“ gewann er 2017 in Cannes die Goldene Palme, wie auch dieses Jahr für „Triangle of Sadness“.
Das Lachen vergeht einem, wenn man Ihren Figuren folgt. Ihr Weg führt aus der Modewelt auf eine Jacht und später auf eine Südseeinsel.
Ich wollte die sehr starken Hierarchien in der Modewelt und auf der Luxusjacht auf den Kopf stellen, indem ich meine Charaktere auf einer einsamen Insel stranden lasse. Schönheit und Besitz sind da plötzlich nichts mehr wert, plötzlich geht es nur noch darum, zu überleben. Ich mag es, mit solchen Wendepunkten zu arbeiten und meine Versuchsanordnungen aus neuen Perspektiven zu betrachten. Das gibt der Handlung Energie und schafft Möglichkeiten, neue Fragen aufzuwerfen.
Übertreiben Sie nicht etwas, wenn die Crew auf der Jacht nur zum Erfüllen der absurdesten Wünsche da ist?
Nein, das haben wir recherchiert. Crew-Mitglieder anderer Jachten haben uns erzählt, dass es relativ häufig vorkommt, dass das Dienstpersonal zum Beispiel auf Wunsch der Besitzer schwimmen gehen soll. Diese Geschichte bot mir die Möglichkeit, subtil von Ausbeutung zu erzählen. Aber ich habe auch ganz andere Geschichten gehört. In einem Fall soll ein Gast einen Tiger auf der Jacht gefordert haben – einfach so, zum Vergnügen. Und die Crew von so einer Jacht ist nicht dafür da, moralische Fragen zu stellen. Die sagen dann nicht nein, sondern fahren in die nächste Hafenstadt mit einem Zoo und fragen, was es kostet, einen Tiger zu leihen. Was auf diesen Luxusbooten passiert, ist wirklich absolut verrückt.
Fällt deshalb der Satz „Zynismus, der sich als Optimismus tarnt“?
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Trailer „Triangle of Sadness“
Na ja, der Satz wirft in vielerlei Hinsicht ein Schlaglicht auf unsere Zeit. Ständig geht es darum, sich zu positionieren – mit Gedanken, Werten und Normen. Jeder will moralisch integer sein, dabei lässt die liberale Marktwirtschaft das doch gar nicht zu. Es ist einfach nicht möglich und jeder weiß das. Aber alle tun so, als ob es möglich wäre. Das ist der eigentliche Zynismus unserer Zeit.
In Ihrem Film klagt eine reiche Frau, dass das Leben nicht fair und alle Menschen gleich seien. Das klingt ein wenig zynisch.
Irgendwie haben die Linken ihren Marx vergessen. Marx verbrachte viel Zeit mit Kapitalisten. Aber er hat nie jemanden dafür kritisiert, reich zu sein. Ich wollte in diesem Film dasselbe tun. Ich wollte die reichen Leute nicht an den Pranger stellen, sondern sie nett und sympathisch darstellen. Außerdem diskutiert der Film die Idee der Philanthropie. Rutger Bregman, ein holländischer Wirtschaftswissenschaftler, wurde vor Jahren in Davos von einigen Milliardären gefragt, was sie tun können, um die Welt zu verbessern. Und er sagte: „Hört auf mit dem Blödsinn und zahlt Steuern.“ Das Problem ist global, nicht individuell. Wir werden die Probleme der Ungleichheit nicht auf individueller Ebene lösen.
In einer Szene werfen sich Woody Harrelson als Kapitän und Zlatko Buric als Oligarch Zitate von Karl Marx, Ronald Reagan und Maggie Thatcher an den Kopf. Sind Sie ein Fan von Drehbüchern oder schauen Sie eher, was sich am Set ergibt?
Ich brauche beides. Die Szene mit den Zitaten war schon sehr gescriptet. Ich habe erst lange nach Zitaten gesucht und dann war es wie ein Puzzle, festzulegen, wer wie auf was reagiert. Bei anderen Szenen merkt man, dass fixe Dialoge nicht immer funktionieren. Man muss sich am Set eine Offenheit bewahren, sonst kommt man nie über das Schreiben hinaus. Dreharbeiten sollten aber immer besser sein als das Drehbuch. Und der Schnitt besser als die Dreharbeiten. Jeder neue Produktionsschritt ist dafür da, Dinge besser zu machen, als man erwartet hat.
In Ihren Filmen gibt es fast keine Nebendarsteller:innen, alle Figuren haben eine Wichtigkeit. Wie kommt das eigentlich?
Ich habe für mich einige Regeln aufgestellt. Eine davon ist, dass keine Szene nur Teil eines Puzzles sein sollte. Vielmehr soll jede Szene die Qualität oder die Kraft haben, für sich zu stehen. Szenen, die nur dafür da sind, die Storyline oder Handlung zu verstehen, fliegen früher oder später raus. Wenn man seine Filme auf diese Weise denkt, gibt es keine Nebendarsteller:innen. „Triangle of Sadness“ ist in vielerlei Hinsicht ein Ensemblefilm, alle Mitwirkenden haben mindestens eine Szene, in der sie glänzen können.
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