Sanierung des Pergamonmuseums in Berlin: Ohne Rücksicht auf Verluste

Bald beginnt der Radikalumbau des Südflügels des Pergamonmuseums. Die 30er-Jahre-Architekturen sollen weitgehend bewahrt werden, die Reste der DDR-Inszenierung fallen.

Ein Restaurator arbeitet an einer Skulptur im Pergamon-Museum in Berlin.

Frühestens 2037 wird die Sanierung des Pergamon-Museums in Berlin fertig sein, manche reden von den 40er Jahren Foto: Nikolaus Bernau

BERLIN taz | Triumphmärsche mit gellendem Tschingderassabumm vor blau, grün und gelb schillernden Löwen- und Stierreliefs der Prozessionsstraße und des Isch­tartors aus Babylon; Bettler, Händler und Kurtisanen, die sich in den Säulen des Markttors aus der hellenistischen Metropole Milet drängen; neugierig durch hölzerne Fenstergitter lugende Haremsfrauen: Es gibt wohl kein orientalistisches Roman- und Sandalenfilmsetting, das im Pergamonmuseum nicht zu bedienen wäre.

Vor allem die zwischen 1930 und 1937 eröffneten Säle des Südflügels sind keineswegs eine neutrale Hülle für teils Jahrtausende alte Objekte aus der heutigen Türkei, dem Irak, Syrien und Libanon, die nach Ausgrabungen im Osmanischen Reich bei Fundteilungen oder auf dem Kunstmarkt erworben wurden. Zu sehen ist gewiss eine Inszenierung des westlichen Orientbildes, aber eben auch der modernistischen Lust auf Farbe und Glanz: Die Reliefs aus schimmerndem Ziegel gleichen nicht zufällig Raumausstattungen des amerikanischen und französischen Art Déco oder den Berliner U-Bahnhöfen Alfred Grenanders, der im Bahnhof Klosterstraße 1928 sogar direkt Testversuche aus den Babylon-Sälen einbaute.

Seit dem Herbst 2023 sind diese großartigen, auf der Welterbeliste stehenden Inszenierungen geschlossen, derzeit laufen die Räumungsarbeiten der Museen, im Sommer soll das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung den Bau für die Generalsanierung, den Umbau, aber auch die Restaurierung übernehmen. Es ist der zweite Abschnitt eines Riesenprojekts, das 2012 mit der Schließung des Nordflügels, in dem künftig das Museum für Islamische Kunst gezeigt wird, und 2014 mit der des Ostflügels mit dem Saal für hellenistische Architektur und dem Pergamonaltar begann. Sie sollen jetzt 2027 wieder eröffnet werden.

Der zuständige Direktor der Antikensammlung, Martin Maischberger, ist zuversichtlich: „Wir sind im Plan“ – jedenfalls jetzt. Eigentlich sollte nämlich schon 2018 Eröffnung gefeiert werden. Auch der Südflügel und der Saal mit den monumentalen Werken der römischen Architektur aus Milet, Baalbek oder Pergamon werden nach den Planungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Bundesbauverwaltungen viel später fertig, frühestens 2037. Wenn denn alles klappt. Aber schon jetzt sind auch die 2040er im Gespräch, ohne dass irgendjemand im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR oder in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz laut protestiert. Zu viel ist bei diesem Projekt der Superlative schon schiefgegangen.

Schon DDR plante Sanierung

Bereits die DDR plante die Grund­sanierung des Pergamonmuseums und seinen Ausbau zu einem Touristenmagneten. Doch immer wieder wurde das absehbar teure Projekt aufgeschoben. Auch die Bundesrepublik investierte nach 1990 nur in die notwendigste Instandhaltung. 1999 gewann dann der Kölner Architekt Oswalt Mathias Ungers mit einem Projekt den Internationalen Architekturwettbewerb, doch erst ein Jahrzehnt später begannen die Bauarbeiten.

Ungers’ Konzept lässt zwar die Fassaden des seit 1906 geplanten Monumentalbaus weitgehend in Ruhe. Allerdings soll ein vierter Flügel entstehen, im für Ungers charakteristischem Rasterschema und wie bei ihm üblich ohne Rücksicht auf die historische Substanz. Um sein spätestmodernistisches Pfeilerschema mit Stütze in der Mitte der Hauptachse des Pergamonhofs errichten zu können, wurden die bereits vorhandenen Fundamente einer einst am Kupfergraben geplanten Säulenhalle herausgebrochen. Der bereits fertiggestellte neue Eingangsbau – quadratisch und mit Stütze in Mittelachse – zeigt, wie altbacken diese Architektur bei der potenziellen Übergabe 2037 wirken dürfte. Einem neuen Gestaltungswettbewerb wenigstens für diesen Bauteil lehnt die Preußen-Stiftung allerdings bisher ab.

Auch sonst greift Ungers’ Entwurf tief bis in die tragenden Hauptwände und Kellergeschosse in den Bestandsbau ein. Nur in den Antikensälen haben sich die Museen entschlossen, die legendäre Ausstellungsinszenierung von 1930 so weit als irgend möglich zu konservieren, wenngleich unter neu abgefangenen Glasdächern und mit neuer Klimatechnik. Sonst aber musste die Denkmalpflege manch harten Knochen schlucken. So wurden im Nordflügel für den neuen Riesensaal, in dem ab 2027 die frühislamische Mschatta-Fassade zu sehen sein wird, einige der wichtigsten Dokumente der deutschen Museumsgeschichte des 20. Jahrhunderts abgebrochen.

Alternative, vorsichtigere Projekte wurden von den Preußen-Stiftung unter Hermann Parzinger und der Bauverwaltung immer wieder zurückgewiesen, mit Verweis auf Ungers’ Sieger-Entwurf von 1999. Dabei brachte dieser Radikal­umbau den gesamten Bauteil aus dem Gleichgewicht, der über Jahre mit gewaltigen Stahlkonstruktionen gestützt werden musste. Auch das treibt die Kosten von einst geplanten 340 Millionen Euro auf inzwischen 1,5 Milliarden Euro.

Depots bei Großbeeren

Aber zweifellos, der Riesenbau ist inzwischen hochgradig sanierungsbedürftig, von den Dachkonstruktionen, die aus den 1920er Jahren stammen, im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen wurden, von der DDR nur notdürftig instand gesetzt, seitdem nur gerade so gepflegt wurden, bis in die Kellergeschosse. Die Überraschungen sind erheblich, doch erst jetzt kann nach der Räumung des Bauteils erforscht werden, ob etwa die gewaltigen Betongewölbe, die für den Südflügel seit 1912 entstanden, auch noch vollständig tragfähig sind.

Das Bundesamt für Bauordnung und Bauwesen BBR teilte auf Anfrage der taz mit: Ein Ersatz seit bisher nicht geplant, auch kein Eingriff in diese Tragkonstruktionen oder in die Fundamente. Aber man wisse von Rissen. Man wird sehen.

Denn Ungers’ Projekt eines Radikal­umbaus wird nun auch den Umbau des Südflügels bestimmen – etwa durch den Einbau eines weiteren Treppenhauses, obgleich es bereits eines gibt. Dafür fallen wird der letzte (!) Raum mit Dekorationen aus der DDR-Zeit, den es in den gesamten Staatlichen Museen noch gibt. In einem Saal werden ­babylonische Ziegelsteine sorgfältig restauriert, um in einem anderen Raum wieder aufgestellt zu werden. Wände sind bis zu den Ziegelkonstruktion aufgebrochen, Kunstwerke stehen auf Paletten, Marmorsäulen im Oberschoss sind durch Holzpfosten ersetzt, Statuen aus der römischen Antike zerlegt, die antiken Führungsbolzen stechen aus dem Marmor.

Alles, was irgendwie transportabel ist, wird in Depots bei Groß­beeren gebracht, nur die Objekte des Museums für Islamische Kunst ziehen direkt in den Nordflügel. Die schimmernden Reliefs aus Babylon, die monumentalen Säulen der Römer aber verschwinden hinter Schutzwänden. Bis wann? Auch hier gilt: Man wird sehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.