piwik no script img

Sandalen sind kein KunstwerkBirkenstocks für alle

Brigitte Werneburg
Kommentar von Brigitte Werneburg

Die Birkenstock-Sandale ist kein Kunstwerk, hat der Bundesgerichtshof festgestellt. Deshalb darf sie nachgeahmt werden. Für Superreiche eine schlechte Nachricht.

Die Hohe Kunde des kunstvollen ausgelatscht Seins war von je her die Aufgabe der Sandale aus dem Hause Birkenstock Foto: Michael Probst/ap

D ie Birkenstock-Sandale ist trotz ihres innovativen, wegweisenden Fußbetts kein Werk der angewandten Kunst. Das hat heute der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden. Aber warum hätte die Sandale überhaupt Kunst sein sollen?

Wegen dem ausschließlichen Nutzungsrecht des Schöpfers, das noch 70 Jahre nach dessen Tod gilt. Karl Birkenstock, der das tiefgelegte Fußbett mit Zehengreifer aus Kork Anfang der 1960er Jahre zunächst als universell passende „Schuheinlage ohne Schuh“ entworfen hatte, lebt noch.

Wäre die Sandale ein Kunstwerk, hätte sich Bernard Arnault, dessen Luxusimperium LVMH sich Birkenstock 2021 einverleibt hat, noch bis Ende des Jahrhunderts an noch fetteren Gewinnen erfreuen können. Wie bei der Stofftasche von Dior, die den Konzern in der Produktion 50 Euro kostet, die Konsumentin im Laden aber 3.000 Euro, sind auch die Produktionskosten der auf Luxus getrimmten Birkenstocks nicht wesentlich gestiegen. Nur liegt der Preis jetzt zwischen 700 und 1.200 Euro.

Auch die ganz Reichen wollen die Sandale. Müssten sie nur 100 Euro bezahlen, bestünde die Gefahr, dass der Normalpreis ihnen klarmacht, dass sie ganz ungerechtfertigt über viel zu viel Geld verfügen. Dieser Gedanke muss gebannt und das Leben deshalb auch für sie teuer sein. Ihre Birkenstocks müssen einfach das Hundertfache kosten. Das versteht man sofort.

Jeder liebt die Birkenstocks, die heute, nach einigem Auf und Ab in ihrer Beliebtheit, so etwas wie die Jeans der Fußbekleidung sind und eines der meistkopierten Schuhmodelle der Welt. Viele Menschen können sich aber auch die Normalpreis-Originale nicht leisten. Und die sollten nun auf das gesunde Fußbett aus leichtem Kork, gehalten von zwei Lederriemen, verzichten? Es sei denn, selbst sie entrichteten ihren Obolus an Arnault? Wegen der Nutzungsrechte, die LVMH hätte fordern können.

Vor diesem Hintergrund erübrigt sich die Frage: warum könnte die Birkenstock-Sandale 50 Jahre nach ihrer Entwicklung nicht doch plötzlich ein Kunstwerk sein?

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Brigitte Werneburg
war Filmredakteurin, Ressortleiterin der Kultur und zuletzt lange Jahre Kunstredakteurin der taz. Seit 2022 als freie Journalistin und Autorin tätig. Themen Kunst, Film, Design, Architektur, Mode, Kulturpolitik.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Die Birkenstock-Sandale ist kein Kunstwerk, hat der Bundesgerichtshof festgestellt."

    Halleluja! Dann hat sich bzgl. dieser Sandalen ja die Frage "Ist das Kunst oder kann das wech?" endlich geklärt!

  • Ich bin froh, dass das Unternehmen klein beigeben musste.

    Vielleicht ein Tipp am Rande: Die Sandalen heben statt 5 Jahre Dauerbenutzung mindestens das doppelte oder dreifache, ohne den Preis zu verdoppeln. Das bedeutet Qualität, das bedeutet weniger Ausbeutung an Menschen, und die befürchtete Konkurrenz, die billiger verkaufen will, hat keine Chance mit minderwertiger Qualität Fuß zu fassen.

    Auch so kann man Marktführer werden.

  • "Was, wie teuer sind die inzwischen? Da könnte man das Fußbett ja maßformen (ich will Prozente für die Idee)."



    ... geht leider nicht.



    Orthopädische Schuhmacher und Sanitätshäuser machen jedem, der es möche, maßgeformte Einlagen — einfach die Schuhe etwas größer kaufen und rein damit ...



    Gruß Fritze

  • Was, wie teuer sind die inzwischen? Da könnte man das Fußbett ja maßformen (ich will Prozente für die Idee).

    • @Janix:

      Keine Ahnung, von welchem Modell hier die Rede ist, aber im Onlineshop von Birkenstock kosten die günstigsten Modelle um die 80 Euro. Das teuerste 220. Hier muss es um irgendein teures Sondermodell gehen.